Beeinflussung des Bildnisschutzes durch die DSGVO?

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Welche Auswirkungen hat die EU-DSGVO auf das Fotografieren von Personen?

RA Fabian Braches: Ab dem 25. Mai 2018 findet die Datenschutzgrundverordnung unmittelbare Anwendung in sämtlichen Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Sie strebt eine europaweite Harmonisierung des Datenschutzrechts an und löst damit die nationalen Regelungen zum Datenschutz ab. Eine Datenverarbeitung von personenbezogenen Daten darf nach der Datenschutzgrundverordnung lediglich dann erfolgen, wenn ein gesetzlicher Erlaubnistatbestand erfüllt wird. Der wichtigste gesetzlich Erlaubnistatbestand ist hierbei die Einwilligung nach Artikel 7 Datenschutzgrundverordnung. Werden Fotos von Personen aufgenommen und diese nicht ausschließlich für private Zwecke verwendet, so ist grundsätzlich der Anwendungsbereich der Datenschutzgrundverordnung eröffnet. Es erfolgt eine Verarbeitung von personenbezogenen Daten.

Sobald Personen fotografiert werden, die dem Fotografen unbekannt sind, oder die Personengruppe unüberschaubar groß ist (Bsp. Demonstration), ist die Einholung einer Einwilligung zur Rechtfertigung der Verarbeitung der Daten keine denkbare Option. Während § 23 des Kunsturhebergesetzes nach aktueller Rechtslage von dem Einwilligungserfordernis unter den dort genannten Ausnahmetatbeständen abrückte, steht § 23 Kunsturhebergesetzes nun grundsätzlich im Widerspruch zu den gesetzlichen Bestimmungen der Datenschutzgrundverordnung. Mit Blick auf das Rangverhältnis der einzelnen Gesetze zueinander wäre das nationale Recht, also das Kunsturhebergesetz unanwendbar, sofern sich ein Konflikt zum europäischen Gesetz, der Datenschutzgrundverordnung ergibt.

Genießt das Kunsturhebergesetz den Vorrang?

Dem Anwendungsvorrang der Datenschutzgrundverordnung folgend könnten Fotografien nicht veröffentlicht werden, für die keine ausdrückliche Einwilligung der betroffenen Personen vorliegt. Art. 85 Abs. 1 Datenschutzgrundverordnung räumt jedoch den nationalen Gesetzgebern der einzelnen Mitgliedstaaten der EU eine gewisse Regelungsbefugnis ein, die sich auf eine Verarbeitung von personenbezogenen Daten zur freien Meinungsäußerung und Informationsfreiheit, einschließlich der Verarbeitung zu journalistischen Zwecken und zu wissenschaftlichen, künstlerischen oder literarischen Zwecken erstreckt (sog. Öffnungsklausel). Art. 85 Absatz 2 Datenschutzgrundverordnung enthält einen konkreten Regelungsauftrag an die Mitgliedstaaten, für Datenverarbeitungen zu journalistischen oder wissenschaftlichen, künstlerischen oder literarischen Zwecken Abweichungen oder Ausnahmen von den Kapiteln II bis VII und IX der Datenschutzgrundverordnung vorzusehen (damit auch von dem Einwilligungserfordernis), wenn dies erforderlich ist, um das Recht auf Schutz der personenbezogenen Daten mit der Freiheit der Meinungsäußerung und der Informationsfreiheit in Einklang zu bringen.

Unklar war allerdings, ob die Öffnungsklausel des Art. 85 Datenschutzgrundverordnung auch Veröffentlichungen zu anderen Zwecken – zum Beispiel durch Unternehmen im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit, durch Private im Rahmen sozialer Netzwerke etc. – erfasst. Aus dem Wortlaut von Erwägungsgrund 153 der Datenschutzgrundverordnung ergibt sich, dass Art. 85 Abs. 2 Datenschutzgrundverordnung ausschließlich als Ausnahmetatbestand für die Datenverarbeitungen in den genannten Zwecken Anwendung finden solle, sodass sich diese Öffnungsklausel nicht auf andere Sachverhalte ausweiten lässt. Mittlerweile besteht aber weitgehende Einigkeit dahingehend, dass das Kunsturhebergesetz von der genannten Öffnungsklausel der Datenschutzgrundverordnung vollständig erfasst wird, sodass die Anwendung der Datenschutzgrundverordnung den Anwendungsbereich des Kunsturhebergesetzes nicht betrifft. Der Veröffentlichung von Fotos ohne Einwilligung der Abgebildeten steht damit die Datenschutzgrundverordnung nicht entgegen.

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