Kollaborativ arbeiten, unter­nehmerisch handeln

»Gute Spinner braucht das Land«

Dieser Claim entstand während meiner ersten Netzwerkarbeit zusammen mit Jürgen Sterzenbach innerhalb der AGD. Was damals – wenn überhaupt – nur im Unterbewusstsein schlummerte, ist heute ein wichtiges Ziel der AGD geworden: Designer sind nicht nur Spinner guter Ideen, sondern auch Spinner von Netzwerken, die erfolgreich ihre Verbindungen zu anderen Spezialisten ziehen. Ihre Chance und ihr zukünftiger Erfolg liegt in der Zusammenarbeit – ob als lockeres Netzwerk oder definierte Kooperation bzw. Gesellschaftsform.

Ein Vorteil liegt klar auf der Hand: Zusammen mit anderen kann ich die komplexen Leistungen und Themen, die große spannende Projekte mit sich bringen stemmen und kompetent erfüllen, wo man als Einzelkämpfer sonst viel zu schnell an seine Grenzen stößt. Daneben gibt es auch noch kleine, wenn auch nicht unbedeutende Effekte: Im Austauschmit anderen entsteht Reibung. Ich muss mich mit meinen Mitstreitern auseinandersetzen, Lösungen finden,mich abgleichen, reflektieren undvielleicht auch einmal revidieren. Ich bekomme Impulse und neue Sichtweisen. Auch wenn dieser Abgleich nicht immer einfach ist, so fördert erdoch die Teamfähigkeit, die sozialeKompetenz und die Weiterentwicklungder eigenen Persönlichkeit.

Auf welcher Basis diese Zusammenarbeit am besten gedeihen kann, erfahren Sie in dieser Sachinfo. Während die vorliegende Sachinfo einen Blick auf Formen, Wesen und Prozesse von Kooperationen wirft, behandelt die folgende Sachinfo die rechtlichen und steuerlichen Aspekte kollaborativen Arbeitens.

Peggy Stein

Anstelle einer weiteren Einführung: Warum es so kommen muss(te), dass wir kooperieren

Die Verschärfung der allgemeinen Wettbewerbssituation seit der Jahrtausendwende verlangt von den Designern gewissermaßen die Quadratur des Kreises: Spezialisierung auf ihre Kernkompetenzen bei gleichzeitiger Erhöhung der Kunden- und Serviceorientierung im Sinne von „alles aus einer Hand“. Richtig ist jedoch auch: Die zunehmende Ausdifferenzierung der einzelnen Branchen oder Disziplinen macht das Allrounder- oder Generalisten-Wissen praktisch unmöglich, weshalb die Spezialisierung effektiver und effizienter ist. Nicht ohne Grund gilt Gottfried Wilhelm Leibniz, der von 1646 bis 1716 lebte, als das letzte Universalgenie.

Im Umkehrschluss heißt das: Disziplinen oder Kompetenzen, die nicht zur eigenen Spezialisierung gehören, aber zum Erstellen einer bestimmten Leistung benötigt werden, kommen von außen dazu, also bestenfalls von den selbstgewählten Kooperationspartnern.

Schon heute ist absehbar, dass dieses Szenario der Kollaboration zum Normalfall wird, da Kunden immer größere, komplexere Projekte vergeben:

„Ich brauche eine aus Briefpapier und Visitenkarten bestehende Geschäftsausstattung“ wird zunehmend abgelöst von „Mein Unternehmen und meine Produkte sollen dem Interessenten oder Kunden auf allen sinnvollen Kanälen und Medien die Werte Qualität, Zuverlässigkeit, Kundenorientierung, Nachhaltigkeit und, und, und … glaubwürdig vermitteln“.

Anders als Fusionen oder Übernahmen bergen Kooperationen gleichberechtigter Unternehmer ein gutes Potential, die Reaktionsfähigkeit freiberuflicher Designer auf die allgegenwärtige Konkurrenz durch die großen Designagenturen zu verbessern. Denn während Letztere ihre Angebote und Leistungen immer auch an den im Hause auszulastenden Ressourcen orientieren müssen, ist der einzige Bezugspunkt kooperierender Freiberufler der tatsächliche Bedarf des Kunden. Denn in diesem Fall ist dieser zuerst da. Im Anschluss daran wird das dazu passende Team zusammengestellt. Dies verschafft substantielle Vorteile im Wettbewerb von Zeit, Qualität und Kosten.

Wir geben Ihnen einen Überblick über die verschiedenen Kooperationsformen, über Kooperationsmöglichkeiten in den unterschiedlichen Geschäftsbereichen, über die (prototypischen) Phasen einer Kommunikation, über die Chancen und Risiken und, nicht zuletzt, über die Potentiale von Kooperationen innerhalb eines Netzwerkes wie der AGD.

Vertikale und horizontale Kooperationen

Generell werden vertikale und horizontale Kooperationen unterschieden. Während sich vertikale Kooperationen entlang der Wertschöpfungskette bilden, agieren in horizontalen Kooperationen Partner auf der gleichen Wertschöpfungsstufe.

Kooperieren Designer entlang der Wertschöpfungskette, also vertikal, arbeiten sie mit ihren Lieferanten und/oder Abnehmern zusammen. Der wesentliche Unterschied zum Lieferanten-Abnehmer-Verhältnis ist dabei, dass eben nicht nur etwas geliefert oder abgenommen wird, sondern ko-kreativ erstellt wird. Dies tritt besonders deutlich zu Tage, wenn der Designer die Designleistung in enger Zusammenarbeit mit seinem Kunden erstellt. Positive Effekt sind dabei schnellere Abstimmungsprozesse, eine höhere Qualität der Ergebnisse, weniger Rückkopplungsschleifen. Das spart Zeit und schont Ressourcen.

Horizontale Kooperationen gehen Designer mit Partnern ein, die auf der gleichen Wertschöpfungsstufe arbeiten, zum Beispiel mit anderen Designern. Dies steigert die eigene Leistungsfähigkeit gegenüber bestehenden und potentiellen Kunden. Bestenfalls entstehen in solchen Kooperationen völlig neue Produkte und Leistungen, die gemeinsam zur Marktreife gebracht werden. Diese Form der Zusammenarbeit kann unterschiedlich verbindlich sein, begonnen bei einer projektbezogenen Kooperationsvereinbarung bis hin zur Bildung einer zeitlich befristeten oder gar dauerhaften Bietergemeinschaft in einer eigens dafür gegründeten Gesellschaft mit eigenem Namen und Auftreten.

Ein wesentliches und durchaus entscheidendes Merkmal horizontaler Kooperationen ist die Gleichzeitigkeit von Kooperation und Konkurrenz, die es auszuhalten gilt. Das heißt, dass ein Designer mit einem Kollegen in dem einen Projekt zusammenarbeitet und bei einer anderen Ausschreibung in direktem Wettbewerb zu ihm auftritt.

Kooperationen in den unterschiedlichen Geschäftsbereichen

Eine wesentliche Form der Kooperationsmöglichkeit, nämlich in der eigentlichen Leistungserstellung, also im Kernprozess der Designleistung, wurde bereits genannt. Darüber hinaus bieten sich diverse weitere Bereiche zur Zusammenarbeit an:

In der Beschaffung von Arbeits- und Verbrauchsmaterial kann man zusammen mit Designern Einkaufsgemeinschaften bilden, um günstigere Preise für jeden einzelnen zu erzielen. Voraussetzung dafür ist, dass die angestrebten Verträge mit zum Beispiel Papierlieferanten wenigstens für ein Jahr geschlossen werden und die an der Einkaufsgemeinschaft Beteiligten wissen, welche Mengen sie in diesem Zeitraum voraussichtlich benötigen werden. Ähnlich kann man bei der Durchführung von Weiterbildungsveranstaltungen verfahren. Eine Teilnehmergruppe zu bilden und einen Trainer in diese Gruppe einzuladen, ist für jeden einzelnen in der Regel günstiger, als die Teilnahme an einem offenen Seminar mit einem festen Beitrag für jeden Teilnehmer.

In der Ausbildung kann man Ausbildungsverbünde bilden, die sich gemeinsam um einen Auszubildenden kümmern. Das spart Kosten und sorgt für angemessene Ausbildungsinhalte. Ähnliches gilt für Personal und Praktikanten. Sekretariatsarbeiten fallen überall an, jedoch nicht immer soviel, dass die Beschäftigung eines Mitarbeiters gerechtfertigt und bezahlbar wäre. Teilt man diesen jedoch mit anderen, können wertvolle Ressourcen statt für Korrespondenz oder Buchführung für kreative Arbeit eingesetzt werden.

Im Marketing gibt es vielfältige Möglichkeiten der Zusammenarbeit. Das beginnt bei der gemeinsamen Marktforschung, über die gegenseitige Verlinkung der Websites bzw. einzelner Angebote der Partner oder das Betreiben eines gemeinsamen Blogs zu bestimmten Themen, das Aufmerksamkeit erzeugt, bis hin zu gemeinsamen Messeständen.

Phasen der Kooperation

Ausgehend von der Grundannahme, dass Kooperationen zeitlich befristete Verbünde sind, werden vier Phasen unterschieden:

  • Die Vorphase
  • Die Aufbauphase
  • Die Leistungsphase
  • Die Transformationsphase

Diese Denkweise widerspricht in gewisser Weise dem Gedanken langlebiger Organisationen, die vornehmlich auf Wachstum ausgerichtet sind. Vielmehr handelt es sich hierbei um dynamische Organisationen, die auf Leistungserbringung und Innovation ausgerichtet sind.

Der Anlass für die Vorphase ist vielfach der Wille zur Veränderung, zur Erweiterung der eigenen Handlungsspielräume. Dabei steht zu einem bestimmten Zeitpunkt die Entscheidung an: selber machen, kaufen oder kooperieren? Entscheidet man sich aus guten Gründen für die Kooperation, werden in der Vorphase potentielle Kooperationspartner gesucht. Vor dem Hintergrund der Anforderungen an die künftigen Partner, begibt man sich in sein Netzwerk von Kunden, Lieferanten, Wettbewerbern und/oder Kapitalgebern, um hier diejenigen zu finden, die den Anforderungen am ehesten entsprechen. Dabei reicht es nicht allein, auf vorhandene notwendige Kompetenzen zu achten. Vielmehr muss man herausfinden, ob „die Chemie stimmt“, ob die Kooperationsziele der potentiellen Partner zueinander passen, ob man sich auf eine gemeinsame Form der Zusammenarbeit verständigen kann.

In der Aufbauphase werden die grundlegenden rechtlichen, finanziellen und organisatorischen Fragen sowie die Regeln der Zusammenarbeit geklärt und festgelegt. Genauso wie bei der Planung eines Projektes sind Ziele zu definieren, die im Laufe der Kooperation immer wieder auf ihre Aktualität und Relevanz hin überprüft werden. Die Machbarkeit wird überprüft und die Vorgehensweise definiert, wie die avisierten Ziele erreicht werden sollen. Erfolgs- und Scheiterfaktoren sind zu identifizieren, Arbeitspakete zu schnüren, Verantwortlichkeiten und Meilensteine festzulegen. Rollen im Kooperationsteam werden definiert und den Partnern zugewiesen.

Die Leistungsphase beinhaltet die Bearbeitung und Umsetzung der geplanten Arbeitspakete, um die angestrebten Ergebnisse und Ziele zu erreichen. Dabei entsteht bestenfalls im vorgesehenen Zeitraum Wertschöpfung, Umsatz und Gewinn für die Kooperationspartner. Nicht selten hat diese Phase konzentrierter Arbeit Auswirkungen auf das soziale System Kooperation. Sichtbare Fortschritte, fühlbare Vorteile der Kooperation werden kleiner, Routine schleicht sich vermeintlich ein und tritt an die Stelle des Elans zu Beginn der Kooperation, dies insbesondere, wenn der Unmut von Neid und Missgunst der Partner begleitet wird. Hier sind Maßnahmen des Beziehungs- und Konfliktmanagement erforderlich, die vielfach als zusätzliche Belastung empfunden werden, sich jedoch mehr als auszahlen am Ende.

Am Ende einer Kooperation, wenn alle Ziele erreicht sind, die neue Leistung am Markt ist und Gewinne abwirft, steht die Transformationsphase. In ihr wird geklärt, was der Kooperation folgen soll: Wird sie beendet und die weitere Nutzung bzw. Verwertung abgetreten oder unter den Partnern aufgeteilt? Mündet sie in eine eigene Gesellschaft, bei der die Kooperationspartner zu Teilhabern werden? Bildet sie eine strategische Allianz? Was auch immer nach der Kooperation kommen mag, wichtig ist, dass die Reinerlöse an neuen Beziehungen, Wissen und Erfahrungen erhalten bleiben und bestenfalls weitergenutzt und –entwickelt werden.

Chancen und Risiken von Kooperationen

Bevor wir die Chancen und Risiken von Kooperationen für das eigene, bestehende Geschäft beurteilen wollen, sollten wir einen kurzen, aber intensiven Blick auf die wichtigen Voraussetzungen für das Gelingen von Kooperationen werfen.

1. Die wichtigste Voraussetzung für das Gelingen einer jeden Kooperation ist Vertrauen. 

Die Wahrheit ist so einfach wie schwierig: Ohne Vertrauen funktioniert keine Kooperation. Denn es birgt viele Vorteile gegenüber der Kontrolle:

  • Vertrauen macht vieles einfacher. Wer seinen Partnern vertraut, kann häufig auf komplizierte, kostenintensive juristische Regelwerke und Beratungen verzichten.
  • Vertrauen steigert die Effizienz, das heißt, alle Kraft fließt in das eigentliche Projekt und nicht in kräftezehrende Strategien zum Sich-Absichern oder in zermürbende Grabenkämpfe.
  • Vertrauen ist kommunikations- und lernfördernd, das heißt, vertraut man dem Partner, dass erhaltene Informationen zum gegenseitigen Nutzen verwendet werden, steigt die Bereitschaft zum Wissensaustausch, und erwünschte Lerneffekte treten schneller ein.
  • Vertrauen reduziert Probleme. Wer offen mit seinen Stärken und Schwächen umgeht, macht präventiven Umgang mit Problemen möglich.
  • Vertrauen hilft, Kosten zu sparen. Denn der Koordinationsaufwand für die Kooperation als solche und damit verbundene Kosten (wie zum Beispiel Personalkosten) sind geringer.

Allerdings funktioniert Kooperation auch nicht auf der Basis blinden Vertrauens. Für eine gelingende Kooperation müssen die Partner sich öffnen, und einer muss den Anfang machen. Damit wird Vertrauen zu „Risikofreude“. Allerdings gibt es einige vertrauensbildende, koordinative Maßnahmen zwischen den Kooperationspartnern, wie zum Beispiel die gemeinsame Entwicklung der Spielregeln innerhalb der Kooperation, die klare Definition von Zugang zu und Ausschluss von gemeinsamen Ressourcen sowie eine klar definierte Vorgehensweise bei Sanktionen und Konflikten.

2. Eine weitere wichtige Voraussetzung ist die eigene klare Positionierung, die unique selling proposition (USP). 

Die eigene Stärke und Unverwechselbarkeit zu kennen, gibt das Selbstvertrauen, die Stärken des Anderen anzuerkennen, mit seinen eigenen zu verbinden und sich gemeinsam neue Handlungsspielräume zu erschließen. Typische Ängste sind Sorgen wie

  • die eigene Unabhängigkeit würde gefährdet, weil man nur noch als Partner der Kooperation wahrgenommen wird
  • der Partner könnte die Kunden ausschließlich für sich gewinnen
  • der Kunde könnte sich aus eigenem Antrieb für den Partner entscheiden und wäre damit verloren
  • der Partner könnte zuviel Einblick in die eigene Unternehmung gewinnen, Brauchbares kopieren und damit möglicherweise einen Vorteil mir gegenüber gewinnen.

Da dies denkbar ungünstige Voraussetzungen für eine Kooperation sind, sollte man nur mit Partnern zusammenarbeiten, denen man in dieser Hinsicht vertraut. Mindestens genauso wichtig ist, sich klar darüber zu sein, in welchen Bereichen, bei welchen Zielgruppen, mit welchen Kompetenzen man bereit ist, eine Kooperation einzugehen. Es ist durchaus möglich zu sagen, mit dem Kunden XY arbeite ich allein so gut zusammen, den werde ich auch künftig allein betreuen. Darüber hinaus kann es Kompetenzen oder Technologien geben, die man nie mit einem anderen Designer teilen würde. Dann soll man das auch nicht tun. Sehr wohl möglich ist es jedoch, sie bei ko-kreativen Prozessen mit den eigenen Lieferanten oder Abnehmern, also wenn keine Gefahr des Kopiertwerdens besteht, einzusetzen.

3. Eine Kooperation ist eine bewusste Entscheidung und kein Zufallsprodukt. 

Das schließt unmittelbar an den vorherigen Punkt an. Klarheit über meine Bereitschaft zu kooperieren, ist Voraussetzung für die Planung meiner Kooperationen. Insbesondere in einem Bereich, der bislang nicht zur Sprache kam, aber von elementarer Wichtigkeit ist, ist der Vorgang der Planung unerlässlich: bei der Entwicklung und Herstellung neuer Leistungen oder Produkte. Hier muss mindestens klar definiert sein:

  • Zeitraum der Kooperation: Sie hat einen definierten Anfang und ein definiertes Ende
  • Partner und ihre Rollen und Verantwortlichkeiten vertraglich regeln und schriftlich fixieren
  • Ziel der Kooperation und Kriterien, wann dieses Ziel als erreicht gelten kann
  • Inhalt der Kooperation (Entwicklung?, Produktion?, Marketing?, Vertrieb? …)
  • Rechte am Entstandenen
  • Zuordnung der erzielten Umsätze und Gewinne

Und um die vermeintliche Wiedererkennung der regelmäßigen eigenen Praxis auszuschließen: Es gibt wesentliche Unterschiede zur Weitergabe einer bestimmten Leistung eines eigenen Projektes. Diese findet in der Regel im Rahmen einer Subunternehmerschaft statt. Kooperationspartner bringen im besten Fall völlig neue Produkte und Leistungen an den Markt.

4. Die Kooperationspartner müssen zueinander passen

… und sich einander so ergänzen, dass das angestrebte Ziel, das Kundenprojekt oder das „auf eigene Gefahr“ entwickelte neue Produkt, möglichst effektiv und effizient erreicht werden kann. Auch unter diesem Gesichtspunkt ist der „Ich-mache-Ihnen-alles-Bauchladen“ nicht nur überholt und unzweckmäßig. Er wird zunehmend viel zu teuer, soll das Ergebnis die notwendige Qualität aufweisen. Daher muss Spezialisierung – die Konzentration auf die Kernkompetenz – Hand in Hand gehen mit der Bereitschaft, notwendige andere, ergänzende Kompetenzen durch Netzwerke oder Kooperationen zeitlich befristet dazu zu holen, statt sie zum Bestandteil der eigenen Ausstattung zu machen.

Die Chancen …

In der vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie herausgegebenen Studie „Kooperationen planen und durchführen“ aus dem Jahr 2003 wurden folgende typische Gründe für eine Kooperation genannt:

  • Kosten senken: Vorhandene Ressourcen und Kapazitäten können besser ausgelastet werden. Kosten für Neuanschaffungen sinken für jeden einzelnen.
  • Kundenprojekte besser bearbeiten
  • Neue Kundengruppen erschließen: In Kooperationen entstehen neue Leistungen und Produkte, oder existierende werden auf neue Abnehmergruppen angepasst. Existierende Vertriebskanäle werden ergänzt und aufeinander angepasst.
  • Anpassung an veränderte Kundenanforderungen: Die Kooperation bringt eine größere Flexibilität mit sich.
  • Know-How-Austausch
  • Erschließen neuer Märkte
  • Stärken der Branchenposition
  • Zusammenschluss gegen die Bedrohung durch Großunternehmen
  • Reduzieren des Einzelrisikos

Damit spiegeln die Beweggründe der Befragten die wesentlichen Chancen von Kooperationen, die hier der Vollständigkeit halber noch einmal nach Geschäftsprozessen bzw. -bereichen systematisiert werden sollen.

Typische Chancen in der Leistungserstellung, im Kernprozess sind:

  • Reduzierung der Erstellungszeit und –kosten
  • Steigerung der Produktivität
  • Zugewinn neuer Technologien und Kompetenzen
  • Qualitätsverbesserung
  • Ausgleich fehlender Kapazitäten
  • Erweiterung des Angebotsspektrums

In der Beschaffung bergen Kooperationen vor allem Kosteneinsparungspotentiale, wie:

  • Preisnachlass durch Bündelung
  • Verteilung und Minderung von Risiken für den einzelnen

Im Vertrieb tragen Kooperationen zu einer verbesserten Wahrnehmung am Markt und zu mehr Flexibilität bei der eigenen Präsentation dort bei durch zum Beispiel:

  • Die Möglichkeit, zusätzliche Leistungen anzubieten
  • Die Erschließung neuer Kunden und Märkte
  • Die Annahme komplexerer Projekte, die allein nicht möglich wären
  • Den Auftritt als Bieter- oder Arbeitsgemeinschaften
  • Kosteneinsparungen bei Marketing und Vertrieb

In der Kundenbetreuung kann man die gegenseitige Vertretung zum Beispiel im Urlaub oder bei Krankheit regeln.

Letztlich nicht zu vernachlässigen sind die nicht-monetären Chancen wie:

  • Der Zugewinn von Know-How
  • Die Nutzung neuer Kommunikationskanäle zum Kunden
  • Die gemeinsame Nutzung externer Expertise, die ich mir allein nicht leisten könnte

… und die Risiken …

Mögliche Risiken und Hemmnisse von Kooperationen müssen von Anfang wahrgenommen und immer wieder überprüft werden, um ggf. rechtzeitig im laufenden Kooperationsprozess eingreifen und nachjustieren zu können. Exemplarisch seien an dieser Stelle einige potentielle Nachteile genannt:

  • Hoher Abstimmungs- und Koordinationsbedarf, vor allem beim Kooperationsaufbau
  • Aufwändige rechtliche Absicherung der Kooperation
  • Übernahme von Gewährleistung für die Arbeit der Partner
  • Angst vor Konkurrenz und zu tiefen Einblick der Partner in das eigene Geschäft
  • Unfaire Behandlung bei der Bewertung der nicht direkt verrechenbaren Gewinne und Investitionen in die Kooperation
  • Keine alleinige Nutzung der entstandenen Leistung und erzielten Gewinne (die jedoch ohne Partner möglicherweise überhaupt nicht entstanden wären)
  • Kooperationen als Kompensation für Managementschwächen und Markteinbrüche beim Partner
  • Orientierung auf kurzfristige wirtschaftliche Vorteile statt Investition in langfristige Kooperation. Eine mögliche Folge davon ist eine hohe Fluktuation der Kooperationspartner, was den Koordinationsaufwand für die Kooperation drastisch ansteigen lässt.

Daraus resultierende Fragen können in keinem Fall alle bereits vor der Kooperation erschöpfend beantwortet werden. Allerdings steigen die Chancen auf einen Erfolg der Kooperation, wenn die Partner einander vertrauen und jeder Beteiligte sich vorher klar ist über seine Bereitschaft, in das Vorhaben zu investieren.

… und noch eine dritte Seite:

Bei diesem Aspekt der Kooperation geht es um die Lust auf gemeinsame Ideen und Projekte. Dabei liegt der Nutzen im Tun und wird vorher nicht ökonomisch kalkuliert. Ein Unternehmer, dessen Forschungsarbeit auf diesem Prinzip beruht, sagt dazu:

Lass es mich einmal so ausdrücken: Ich freue mich einfach, wenn irgendjemand eine pfiffige Idee entwickelt, ein interessantes Modell baut, ein erstaunliches Programm schreibt etc. Ich habe überhaupt kein Interesse, einen Patentanspruch oder die Exklusivrechte auf irgendeine Idee zu besitzen – das ist mir völlig gleichgültig. Wenn jemand auf eine lustige, amüsante Sache kommt, bin ich begeistert – und ich publiziere und verbreite sie: „Hast Du schon gehört, der Fritz entwickelte diese wunderbare Idee! Seht her, worauf der Fritz neulich gestoßen ist!“ Ich könnte mir vorstellen, dass ich mit dieser Haltung viele Leute dazu gebracht habe, mit Spaß und Freude auf neue Ideen zu kommen oder einfach neue Ideen zu diskutieren: „Komm herein, Heinz, können wir das nicht besprechen, ich versteh diesen Punkt nicht!“

Der Spaß und die Freude, Neues zu entwickeln, völlig unabhängig vom Problem, wer was zum ersten Mal zu wem gesagt hat und wer welche Konsequenzen daraus zog, hat wahrscheinlich meine vielen Mitarbeiter sehr stimuliert. Sie sagten sich: „Hier hat es Sinn, tätig zu sein, denn meine Arbeit wird gewürdigt, geschätzt, sie steht mit anderen Arbeiten in Verbindung“, etc. etc. Darin offenbart sich wahrscheinlich eine intellektuelle Grundhaltung von mir, keinen Menschen zu beneiden, der auf etwas Neues kommt, sondern sich zu freuen, dass es eine Neuheit gibt. „Neid“ oder „Eifersucht“ kenne ich nur als Wörter…“ (Foerster, H.v., Der Anfang von Himmel und Erde hat keinen Namen. Eine Selbsterschaffung in 7 Tagen, Doecker-Verlag, Wien, so in: Schmidt, A., Co-Opera – Kooperationen mit Leben füllen, Carl-Auer-Verlag, Heidelberg, 2007, S. 26)

Im folgenden und letzten Abschnitt werfen wir einen Blick auf den besonderen Fall, dass Kooperationen in ein Netzwerk, einen Verband eingebettet sind. Dabei entstehen besondere Wechselwirkungen, die das Kooperationsklima entscheidend verbessern und die Dynamik der Kooperationsprozesse erhöhen können.

Wechselwirkung mit Netzwerken

Bevor wir jedoch zu den gegenseitigen Einflussnahmen kommen, gilt es einen Blick auf die wesentlichen Unterschiede zwischen Kooperationen und Netzwerke zu werfen.

Netzwerke Kooperationen
Keine (definierten) Grenzen zur Umwelt Grenzen zur Umwelt
Idealerweise: Konzentration mehrerer Kooperationen, die sich wechselseitig ergänzen Keim eines Netzwerkes, später Teil eines Netzwerkes
„Netzwerke sind etwas Fluides, Amöbenhaftes, bei dem man nie genau weiß, was gerade dazu gehört und was nicht, was innen ist und was außen.“ Sehr viel deutlicher festgelegt, wie zu zeigen sein wird.
Zeichnen sich nicht durch konkrete wirtschaftliche Beziehungen aus, sondern durch das Potential möglicher, zukünftiger Zusammenarbeit. Konkrete wirtschaftliche Beziehungen.
Motivation aufgrund der potentiellen Verfügbarkeit von Kontakten und den damit verbundenen Ressourcen wie Wissen, Macht, Vertrauen u. a. Bestenfalls tatsächlich verfügbare erstrebenswerte und dem eigenen Erfolg zuträgliche Ressourcen

Dieses Zusammenspiel bietet eine gute Basis, dass institutionalisierte Netzwerke oder Verbände wie die AGD die Kooperationsvorhaben ihrer Mitglieder und Partner substanziell unterstützen können.

  1. Unterstützen beim Aufbau:
  • Suche geeigneter Partner, sofern noch welche gebraucht werden
  • Marktexpertise
  • Finanzielle Unterstützung
  • Beratende Unterstützung
  1. Unterstützen in der Arbeitsphase:
  • Marketingunterstützung
  • Erweiterung der Kooperation um neue Partner
  • Qualifizierung
  1. Initiieren von Kooperationen:
  • Informationsveranstaltungen
  • Kooperationsbörsen
  • Großgruppenveranstaltungen wie Open Spaces, Zukunftskonferenzen etc.
  • Initiierung gemeinsamer Messeauftritte oder Ausstellungen
  • Weiterbildungsveranstaltungen
  • Themenspezifische Initiierung durch Lern-Workshops
  • Aufruf zu themenspezifischen Kooperationen, z.B. Beteiligung an entsprechenden Ausschreibungen
  1. Kooperation braucht Kooperation:
  • Verband als Teil eines funktionierenden Netzwerkes von Experten für z. B. Rechtsberatung, Förderberatung, Marketingberatung etc.
  • Kontakte zu anderen Verbänden und/oder Netzwerken
  • Attraktive Informationsplattform

Zusammenfassung

Kooperationen bergen nicht nur ein großes Potential, die eigenen Handlungsspielräume systematisch zu erweitern und damit den eigenen wirtschaftlichen Erfolg langfristig zu sichern. Sie sind die Arbeitsform der Zukunft – und sie sind kein Zufallsprodukt. Sei es, dass Partner für ein bestimmtes Projekt gebraucht werden, sei es, dass eine inspirierende, innovative Idee gemeinsam geboren und entwickelt wurde – Kooperationen sind planbar und damit steuerbar. Verbände wie die AGD stehen dabei gern unterstützend zur Seite.

Weiterlesen:

  • Co-Opera – Kooperationen mit Leben füllen, Alexander Schmidt, Carl-Auer-Verlag Heidelberg, 2007
  • Gemeinsam stärker. Kooperationen planen und durchführen. Ein Leitfaden für kleine und mittelständische Unternehmen, Bernd Geisen, Regine Hebestreit, hrsg. Vom Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit, Berlin, 2003
  • www.die-beste-kooperation.de

Autorin: Victoria Ringleb