Nutzungsfaktor: Wie findet man den richtigen, wenn Kommunikation digital ist

WIE WOLLT IHR LEBEN?

Das ist der letzte Artikel zum Thema Vergütung in einer langen Reihe. Ihr habt erfahren, wie ihr Stundensatz und Aufwand ermittelt [Hier die Tools KAJI und VTV Design] und mit Forderungen nach Rabatten umgeht. Wie ihr mit Hilfe einer Nutzen-Argumentation die Akzeptanz für euer Angebot erhöht, Einwände gegen Preise behandelt und euren Kundenmix analysiert und steuert. Im letzten Beitrag ging es um Nutzungsrechte, und ihr solltet den Text vor diesem lesen, in dem auch viel über die Kommunikation mit dem Kunden steht. Heute geht es um Nutzungsrechte in der digitalen Welt und um die Frage: Wie ermittelt man in Zeiten der Digitalisierung den angemessenen Nutzungsfaktor?

Wir starten mit dem Klassiker: VTV Design seit 1977

Vergütung-Designleistungen IX-Nutzungsfaktoren

Grundlage für das Neue ist das Bewährte, und so beginnen wir mit dem VTV Design, der seinem goldenen Jubiläum entgegen geht. Er bestimmt den Nutzungsfaktor mittels vier Messgrößen: Nutzungsart, Nutzungsgebiet, Nutzungsdauer, Nutzungsumfang.

Der Grundgedanke bei der Berechnung des Nutzungfaktors ist: Wie sehr trägt mein Design zum wirtschaftlichen Erfolg meines Auftraggebers bei?

Und so könnt ihr Messgrößen im Einzelnen berechnen:

Nutzungsart
einfach: 0,2
ausschließlich: 1,0

einfach
Das Werk wird dem Auftraggeber zur Nutzung überlassen, kann aber auch anderen Nutzern zur Verfügung gestellt werden. Wenn auch besser nicht der Konkurrenz.

ausschließlich
Das Werk wird einzig dem Auftraggeber zur Nutzung überlassen und darf von niemand anderem genutzt werden.

Nutzungsgebiet
regional: 0,1
national und DACH: 0,3
europaweit: 1,0
weltweit: 2,5   

Um noch einmal auf den Grundgedanken zurück zu kommen:

Je weiter die Verbreitung desto
>> häufiger die Wahrnehmung
>> intensiver die Nutzung
>> größer der Nutzen, den der Auftraggeber aus der Leistung zieht. Das gilt auf für die beiden folgenden Punkte.

Nutzungsdauer
1 Jahr: 0,1
5 Jahre: 0,3
10 Jahre: 0,5
unbegrenzt: 1,5

Wobei realistisch betrachtet eine unbegrenzte Nutzungsdauer sehr selten Sinn ergibt. Schon längst nicht im Digitalen.

Nutzungsumfang
gering: 0,1
mittel: 0,3
groß: 0,7
umfangreich: 1,0

Woran misst man, ob ein Werk oder ein Produkt gering oder umfangreich genutzt wird? Zum Beispiel:

  • Auflagenhöhe bei Druckerzeugnissen
  • Herstellungsmenge bei Produkten
  • Anzahl der Unterseiten bei Websites
  • Anzahl der Phasen bei Animationen

Auflagenhöge und Produktmengen – das leuchtet ein.
Aber sind die bisher verwendeten Indikatoren für Websites und Animationen wirklich die sinnvollsten? Da denken wir mal weiter. Sollte es nicht vielmehr darum gehen?

  • Anzahl der Website-Besuche
  • Reichweite und Klickraten
  • Öffnungs- und Klickraten bei Newslettern
  • Social Media
  • Likes und Shares
  • Kommentare, Retweets

Und was ist in dieser – digitalen – Welt eine Region?

Wer wissen will, wie sich Nutzungsart, Nutzungsgebiet, Nutzungsdauer und Nutzungsumfang zu einer Matrix fügen und noch einen gedruckten VTV Design besitzt, kann dort nachsehen. Alle anderen verschaffen sich hier einen Eindruck: vtv.calculate.design/usage

Nutzung von Websites messen und bewerten. So geht’s.

Ihr bekommt eine angemessene Summe Geld, und der Kunde bezahlt nur das, was er wirklich braucht. Die Nutzung reguliert den Preis, darum ist ihre Ermittlung so wichtig. Auflagenhöhen lassen sich leicht herausfinden. Aber wie gelingt das im Digitalen. Wir stellen euch einige Möglichkeiten vor.

Fangen wir bei der eigenen Website an: www.agd.de.

Wir analysieren sie mit Hilfe von URLMetriken

Hier finden wir Zahlen zu monatliche Seitenimpressionen und der daraus resultierenden Platzierung in Deutschland, zu monatlichen Besuchen, dem Wert pro Besucher, dem geschätzten Wert der Website und zu externen Verweisen. All das erlaubt Hinweise auf die Intensität der Nutzung. Betrachten wir hier nur auf die beiden ersten Punkte.

agd.de
Monatliche Seitenimpressionen: 264.732
Platzierung in Deutschland: 19.536

Spricht das jetzt für eine geringe Nutzung, oder für eine große? Nehmen wir zum Vergleich den Spiegel.

Monatliche Seitenimpressionen: 1.017.676.170
Platzierung in Deutschland: 8

Das heißt dann wohl: Die Nutzung von www.agd.de ist sehr gering, die von www.spiegel.de umfangreich? »Aber nein!« ruft jemand aus dem Publikum. »Wie könnt ihr euch mit diesem mächtigen Presseorgan verglichen?« Stimmt. Also vergleichen wir uns mal mit dem BGD Berufsverband der deutschen Kommunikationsdesigner.

bdg.de
Monatliche Seitenimpressionen: 36.515
Platzierung in Deutschland: 104.223

Aha. Die Website der AGD wird mehr als siebenmal häufiger besucht als die des BDG, die Nutzung darf damit als umfangreich gelten. Wichtig ist also, vor dem Vergleich die Frage nach dem Bezugssystem zu stellen und hier Wettbewerber zu wählen.

Newsletter gelesen? Wirklich?

Das kennen wir alle: Die Spam-Mails lassen sich gar nicht so schnell löschen, wie sie ins Postfach rauschen. Doch ein paar öffnet man doch, und wie viele das sind, lässt sich ebenfalls messen und beziffern.

So liegt die Öffnungsrate quer durch alle Branchen bei 29%. Ausreißer nach unten ist der Bereich Fashion mit 18%, gern gelesen werden Nachrichten aus dem Bereich Finanzen, Versicherungen, Immobilien: 41%. Die AGD ist B2B: 26%. Was wir hier jeweils sehen, ist die unique Öffnungsrate, sie zählt die E-Mail-Öffnungen eines Empfängers einmalig und spiegelt somit die Anzahl der Öffner wider.

Die effektive Klickrate gibt an, wieviel Prozent aller Empfänger, die eine E-Mail öffnen, anschließend auch auf einen Link klicken. Ebenfalls eine wichtige Information, die sich zum Beispiel den Programmen entnehmen lässt, die die Newsletter verschicken.            

BTW: Die Erfahrung lehrt, dass es besser ist, Newsletter, die an sehr große Verteiler gehen, auf mehrere aufteilen, da sie dann zum Beispiel seltener als Spam markiert werden.

Social Media analysieren? Gefällt mir!

Verguetung-Designleistungen IX-Nutzungsfaktoren

Obwohl Facebook ständig seine Algorithmen ändert, lassen sich auch für diese Plattform Messkriterien finden. Zum Beispiel auf Plattformen wie

Socialbakers

Hier seht ihr die Interaktionen der Fans und könnt sie vergleichen: Reaktionen, Kommentare, geteilte Inhalte. Ebenso die Anzahl der Follower und wie sie sich verändert. Veränderung ist gut: Dynamik sagt dem Algorithmus, dass etwas relevant ist und der Algorithmus spült den Inhalt nach oben.

Wer eine Facebook-Kampagne fährt, bekommt über Facebook-Kennzahlen und KPIs Informationen zu Reichweiten, Entwicklungen, Interaktionsraten – und zu demografischen Merkmalen. So könnt ihr und euer Kunde zum Beispiel herausfinden, ob die Kampagne die angestrebte Zielgruppe erreicht. Macht die Analyse mit dem Kunden zusammen, und versteht die Ergebnisse auch als Handlungsaufforderung.

>> Links zu Websites, die bei der Analyse helfen oder nützliche Statistiken liefern, findet ihr unten.

Wir haben Zahlen. Und nun?

Wir kennen jetzt

1. die Zahlen

  • Reichweite und Besucherzahl
  • Öffnungs- und Klickraten
  • Likes und Kommentare
  • Followers und Fans

Wollen wir den Nutzungsumfang ermitteln, brauchen wir außerdem folgende Informationen:

2. die Art der Nutzungsmedien und ggf. ihre Auflagenhöhe,
wenn es denn zusätzlich etwas Gedrucktes gibt

3. die Übertragung der Nutzungsrechte auf Dritte
Will der Kunde das?

4. ein Veränderungsrecht
Will der Kunde das?

5. kontextabhängig oder -unabhängig
Soll ein Werk noch in einem ganz anderen Zusammenhang verendet werden?

Klassiker reloaded. VTV Design digital

Beginnen wir die Anpassung des VTV Design an die Jetztzeit mit der Änderung eines Begriffs: In der AGD ist »Nutzungsart« gelernt, das Gesetz spricht jedoch von »Nutzungsrecht«, Missverständnisse sind möglich. Wir werden stattdessen also vom »Nutzerkreis« sprechen.

Nutzerkreis
nicht exklusiv: 0,2
exklusiv: 1

Fun Fact? Nutzungsrecht geht an Facebook

Ihr habt exklusiv für einen Kunden Piktogramme entwickelt. Der Kunde findet sie super, postet sie bei Facebook – und hat jetzt nicht mehr das exklusive Nutzungsrecht. Denn die Nutzungsbedingungen von Facebook schreiben fest, dass jedes hochgeladene Werk auch von Facebook selbst genutzt werden darf. Das würde für euch theoretisch bedeuten, dass der Kunde weniger für die Nutzungsrechte zahlen muss. Ihr solltet das wissen und am besten auch eurem Kunden sagen. Und es steht euch frei, euch auf so etwas wie eine semi-exklusive Nutzung zu einigen

Nutzungsgebiet
regional: 0,1
national und DACH: 0,3
europaweit: 1,0
weltweit: 2,5   

Diese Staffelung funktioniert nur, wenn die Nutzung auf ein Gebiet eingegrenzt werden kann. Auch bei Websites ist das prinzipiell möglich, denn ausschlaggebend ist nicht, dass sie theoretische weltweit gesehen werden können. Entscheidend ist die Absatzregion, auf die eine Website abzielt.

Wenn also der Bäcker um die Ecke nur den Kiez über Sonderangebote informieren will, ist das ganz klar eine regionale Nutzung. Sollte er aber über einen Webshop die Brezeln nach altem Familienrezept bis in die USA verkaufen, muss er für weltweite Nutzung bezahlen. Oder den Webshop hinter eurem Rücken einrichten.

Nutzungsgebiete werden sich immer weniger spezifizieren lassen: Ein Kunde lässt einen Webshop einrichten, weiß aber noch gar, wer bei ihm kaufen wird. Auch Unbekannte aus der Ferne? Ein Startup kurz nach der Gründung kann nicht einschätzen, wie sich das Unternehmen entwickeln wird. Und so weiter. Wir entscheiden uns also dagegen, bei der Größe der Nutzungsgebiete zu differenzieren:

 Nutzungsgebiet
nicht spezifizierbar: 1,7

Nutzungsdauer
1 Jahr: 0,1
5 Jahre: 0,3
10 Jahre: 0,5
unbegrenzt: 1,5

Hier ändert sich nichts.

Hier passiert mehr: der Nutzungsumfang

Verguetung-Designleistungen IX-Nutzungsfaktoren

Wenn das Nutzungsgebiet zur Differenzierung nicht mehr beitragen kann, wird der Nutzungsumfang noch wichtiger. Deshalb an dieser Stelle genaue Definitionen:

geringe Nutzung:

  • geringe Reichweite, geringe Klickzahlen
  • wenige Interaktionen, wenige Follower
  • kleine Auflage, max. 2 Nutzungsmedien*
  • keine Übertragung an Dritte
  • kein Veränderungsrecht
  • kontextabhängig

* Broschüre und Website zum Beispiel, Social Media ist schon nicht mehr enthalten.

mittlere Nutzung:

  • mittlere Reichweite, mittlere Klickzahlen
  • mittlere Zahl an Interaktionen, mittlere Zahl an Follower
  • mittlere Auflage, max. 4 Nutzungsmedien
  • keine Übertragung an Dritte
  • kein Veränderungsrecht
  • kontextabhängig

große Nutzung:

  • große Reichweite, viele Klickzahlen
  • viele Interaktionen, viele Follower
  • große Auflage, max. 6 Nutzungsmedien
  • keine Übertragung an Dritte
  • kein Veränderungsrecht
  • kontextabhängig

umfangreiche Nutzung:

  • sehr große Reichweite, sehr viele Klickzahlen
  • sehr viele Interaktionen, sehr viele Follower
  • sehr große Auflage, alle Nutzungsmedien
  • Übertragung an Dritte!
  • Veränderungsrecht!
  • kontextunabhängig!

Hier haben wir nicht nur quantitative, sondern auch qualitative Unterschiede. Mit den letzten drei Vereinbarungen gebt ihr auch Kontrolle ab. Ihr könnt nicht mehr beurteilen, welcher zusätzliche wirtschaftliche Nutzen, zum Beispiel bei Übertragung an ausländische Tochterunternehmen, an Partner oder in andere Kontexte, für den Kunden entsteht.

Die Darstellungsmöglichkeiten von Design sind sehr vielfältig geworden, der Nutzungsumfang gilt mehr in der digitalen Welt. Wir setzen also folgerichtig die Faktoren für die Nutzung nach oben.

Nutzungsumfang
gering: 0,5
mittel: 0,9
groß: 1,4
umfangreich: 1,8

Jetzt haben wir ein zukunftsfähiges Modell.

Adressen für die Recherche

allfacebook.de/pages/facebook-reichweite

blog.hootsuite.com/de/aussagekraeftige-social-media-kennzahlen

www.similarweb.com

urlm.de

www.agof.de

de.statista.com

swat.io/de/analyse/25-social-media-kennzahlen-die-du-kennen-musst

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Verguetung-Designleistungen IX-Nutzungsfaktoren

Wenn ihr euer Wissen zum Thema Nutzungsrechte für Digitales vertiefen wollt, könnt ihr hier Aufzeichnung und Unterlagen zum Webinar mit der AGD-Geschäftsführerin Victoria Ringleb herunterladen.

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Christina Sahr, 12.03.2022