Nahezu alle Designer haben es gemacht. Und sie erinnern sich noch gut daran, schließlich war es oft die erste Chance, den künftigen Beruf kennenzulernen: Das Praktikum.
Drei Grundformen
Viele von uns haben alle drei Grundformen ausprobiert.
- Das kurze Schülerpraktikum, in dem wir irgendwie mitliefen und mehr oder minder sinnvoll beschäftigt wurden.
- Dann das Praktikum während des Studiums, in dem wir immerhin die wichtigsten Fachbegriffe und Vorgänge einordnen konnten – nicht so genau jedoch, wie qualifiziert und nützlich unsere Arbeit wirklich war. Dafür konnten wir erahnen, was von dem in der Hochschule Gelehrten nützlich sein könnte, und lernten interessante Designfachrichtungen kennen.
- Nicht wenige knüpften gleich nach dem Studium an diesen Punkt an und absolvierten ein weiteres, nun anspruchsvolleres Praktikum, um spezifischere Kenntnisse und Fertigkeiten zu erwerben, die bei späteren Bewerbungen vorteilhaft sein könnten.
Die beiden letzten Formen – die zu einer beruflichen Qualifikation beitragenden Praktika – schauen wir uns in diesem Beitrag genauer an. Er wendet sich überwiegend an Designerinnen und Designer, die heute selbst Praktika anbieten und hat dabei die rechtlichen und steuerlichen Aspekte im Fokus. Die Materie ist komplex und auch von den individuellen Umständen der Praktikanten abhängig. Deshalb wird dieser Beitrag die Themen leider nicht bis in die Tiefe behandeln können – wie gut, dass es Steuerberater gibt und dass sie oft die Personalbuchhaltung mitübernehmen.
Die Hochschulen
Jeder Beteiligte hat seine eigene Sicht auf das Praktikum. Beginnend mit den Hochschulen, die aufgrund ihre überfrachteten Zeit- und Stoffpläne das Praktikum zwar für wichtig halten aber dennoch oft die Zeitdauer einschränken – mitunter sind Praxisphasen von nur drei Monaten vorgesehen. Manchmal werden sogar kombinierte Lehrveranstaltungen als Praktikum bezeichnet; noch merkwürdiger ist das Flexikum, bei dem sich die Präsenz im Unternehmen nach dem Stundenplan der Hochschule richtet. Eigentlich sollten Hochschulen wissen, dass kein Halm schneller wächst, wenn ich an ihm ziehe. Das gute Gegenteil sind Praktikumsphasen mit begleitenden Lehrveranstaltungen und Referenten aus der Praxis.
Die Betriebe
Aus der betrieblichen Erfahrung heraus zeigt, sich, dass ein Designpraktikum unter sechs Monaten wenig sinnvoll ist, weder für die Praktikanten noch für den Ausbildungsbetrieb. Viele, vor allem anspruchsvolle Designprojekte dauern mit Vorbereitung, ersten Gedanken, mehrstufigen Entwürfen und deren Realisierung einige Zeit. Zudem sollten in einer praktischen Ausbildungsphase mehrere Projekte begleitet werden, die normalerweise zeitversetzt laufen. Die Einarbeitungsphase für Praktikanten ist in den ersten Tagen und Wochen betreuungsintensiv. Es macht deshalb unternehmerisch keinen Sinn, dass die Praktikanten den Betrieb dann verlassen, wenn sie halbwegs eingespielt und ökonomisch arbeiten.
Nun sollte die wirtschaftliche Komponente im Praktikum nachrangig sein, es geht primär darum, die in der Hochschule erworbenen oder noch zu erwerbenden Kenntnisse in der praktischen Anwendung zu erproben. Das ist nicht wenig und in drei Monaten kaum zu schaffen.
Die Praktikantinnen und Praktikanten
In der knapperen Praktikumszeit liegt ein Manko für Praktikanten, wenn sie laufende Projekte nicht von Anfang bis zum Ende kennenlernen, und damit überblicken können. Außerdem reicht die Zeit nicht aus, um Routinen zu entwickeln, mit deren Beherrschung erst ein genaueres Wahrnehmen und Vergleichen entsteht, und somit ein besseres Designergebnis. Mit den Routinen lernen Praktikantinnen und Praktikanten viel mehr kennen: Teamarbeit, Hierarchien, die Haltung im Betrieb oder die Rolle von Kunden in Designprozessen – also die Dinge, die das Leben als Designerin oder Designer ebenso bestimmen wie die reine Gestaltung.
Oft ist es genau das, was Praktikantinnen und Praktikanten wollen: Lernen und probieren, nach und nach eigene Aufgaben übernehmen und eigenverantwortlich bearbeiten. Und natürlich ein brauchbares Feedback über ihre Arbeit zu erhalten. Das Praktikum ist darüber hinaus die erste Chance zu sehen, was sie bereits können und ob die gewählte Fachrichtung auch nach dem Studium die richtige sein wird.
Was zu klären ist
Im arbeitsrechtlichen Sinne ist das Praktikum nicht eindeutig gefasst, deshalb sind viele Regeln und Verordnungen etwas schwammig. Klar ist, dass Praktikanten in Deutschland grundsätzlich keine Arbeitnehmer mit einer Leistungspflicht im Sinne eines Dienstvertrags sind. Es ist sinnvoll, selbst einen Praktikumsvertrag aufzusetzen, der die relevanten Inhalte regelt: Zweck und Dauer des Praktikums (inkl. Probezeit, Arbeitszeit und Urlaub), Vergütung und Sozialversicherung, Pflichten des Praktikanten und des Designbüros sowie die Verwertungsrechte an den entstandenen Arbeiten. Im Netz gibt es jede Menge Vertragsmuster, auch von öffentlichen Institutionen, die zumindest »rechtssicher« sein dürften.
Ein Augenmerk sollte auf eine sinnvolle Probezeit gelegt werden, bei einem sechsmonatigen Praktikum beträgt sie üblicherweise einen Monat. Da es mitunter vorkommen kann, dass Betrieb und Praktikant feststellen, dass sie nicht zueinander passen oder die Fachrichtung nicht den Vorstellungen entspricht, ist es sinnvoll, eine angemessene Kündigungsfrist zu vereinbaren und/oder eine Regelung bei vorzeitiger Lösung zu treffen.
Um zu sehen, ob man zueinander passt, kann eine dem Praktikum vorgeschaltete Probewoche sein. Es sollte selbstverständlich sein, dass die Aspiranten ein qualifiziertes Feedback auf das in der Woche Geleistete erhalten. Auch eine angemessene Vergütung und/oder kleine Anerkennung in Sachleistungen versteht sich von selbst.
Die Vergütung
Es gibt keine gesetzliche Pflicht, studierende Praktikantinnen und Praktikanten zu vergüten, dennoch sollte der Ausbildende seinen Praktikanten grundsätzlich ein Entgelt zahlen. Es zeigt die Anerkennung für deren Interesse und Engagement und stellt zumindest einen gefühlsmäßigen Status her: Wer zahlt, kann mehr verlangen. Wer bezahlt wird, zeigt mehr Leistung. Für die Entgelthöhe gibt es keine allgemeingültigen Regeln, viele Betriebe orientieren sich an der Vergütung von Minijobbern, die für Studierende eine willkommene Beihilfe zum Lebensunterhalt ist. Ab einer Beschäftigungsdauer von mehr als drei Monaten gilt allerdings auch hier – mit Rückwirkung – der gesetzliche Mindestlohn von 9,35 Euro pro Stunde.
Anders sieht die Rechtslage bei freiwilligen Praktika aus, die außerhalb einer geregelten Ausbildung stattfinden, zum Beispiel wenn Absolventen im Anschluss an das Studium ihre Fertigkeiten verbessern möchten. Hier ist laut Gesetz in jedem Fall eine angemessene Vergütung zu zahlen, die von der Dauer der Praktikumszeit, dem Status und der Beschäftigungsart des Praktikanten abhängt. Übersteigt die Praktikumsdauer bei dem gleichen Arbeitgeber drei Monate, ist seit Anfang 2015 wenigstens der gesetzliche Mindestlohn (9,35 € je Zeitstunde) zu zahlen. Weiterhin ist die tatsächliche Tätigkeit wesentlich: Steht nicht die Ausbildung im Vordergrund sondern die Ausführung normaler Arbeiten, liegt aus Sicht des Gesetzgebers ein normales Arbeitsverhältnis vor, selbst wenn es von beiden Seiten »Praktikum« genannt wird.
Um es hier nicht noch weiter zu vertiefen: Sobald es um Arbeitsvergütungen und um Sozialabgaben geht, sollte in jedem Fall ein Steuerberater konsultiert werden, in der Regel übernimmt er auch die Personalbuchhaltung.
Die Sozialversicherung
Dennoch ein kurzer Blick auf die Sozialversicherung, die sich je nach Praktikumsart unterscheidet. Bei Pflichtpraktika innerhalb des Studiums (Praxissemester) besteht für Studierende deren studentische Kranken- oder Familienversicherung fort. Daher sind vom Designbüro keine Sozialbeiträge zu zahlen, egal wie hoch eine etwaige Vergütung ist.
Entgeltliche Praktika vor oder nach einem Studium sind hingegen beitragspflichtig. Wie hoch die Abgaben sind, hängt davon ab, ob die Praktika vorgeschrieben sind und vom Steuer- bzw. Sozialversicherungsstatus der Praktikanten. Eine Versicherung ist allen Praktikumsgebern gewiss: Jeder Betrieb, der eine Person beschäftigt – und sei es für kurze Zeit oder eine geringe Vergütung – ist verpflichtet, Mitglied einer Berufsgenossenschaft zu sein.
Zwei Dinge sollten in jedem Fall deutlich geklärt werden. Zum einen, dass der Betrieb an allen im Praktikum geschaffenen Werken das ausschließliche Nutzungsrecht erhält, auch über die Vertragsdauer hinaus. Dennoch haben Praktikanten das Recht, ihre im Betrieb entstandenen Arbeiten in einer Mappe zu zeigen, siehe auch unseren Beitrag zur Eigenwerbung. Weiterhin sollte fixiert sein, dass die in beruflichen Dingen meist noch unerfahrenen Praktikanten zur Verschwiegenheit über die betrieblichen Vorgänge und Kundenbeziehungen verpflichtet sind.
Es sollte selbstverständlich sein, dass Praktikanten und Praktikanten eine schriftliche Beurteilung erhalten, die sie ihrem Lebenslauf beifügen können. Sie sollte, gleich einem Arbeitszeugnis, neben der ausgeübten Tätigkeit auch die erworbenen Kenntnisse und Fertigkeiten schildern.
Was Praktikanten außerdem gerne weitergeben dürfen, ist ihre Zufriedenheit mit dem Designbüro. Dort Gelerntes und Erlebtes ist schließlich noch lange präsent und wird zu einem Bestandteil der beruflichen Vita. Und trägt positiv dazu bei, dass die Praktikanten von heute eines Tages selbst gut ausbilden werden.
Autor Andreas Maxbauer, 22.10.2015