Viele von euch haben diese Situation mindestens schon einmal erlebt: Ein Projekt wird beauftragt, ihr macht eure Arbeit, fachlich gut und termingerecht, – doch der Auftraggeber zahlt nicht. Keine Ausrede ist zu fadenscheinig, als dass sie nicht zur Begründung herhalten könnte. Die Auseinandersetzung ist mühsam und führt oft zu faulen Kompromissen wie zur Einigung auf einen geringeren Preis. Im schlechtesten Fall führt sie zu nichts.
Wie es auch anders geht, erfahrt ihr hier im Interview. Wir verdanken die Geschichte der Entschlossenheit der Kollegin Julia und ihrer Unterstützung durch die AGD in Person unseres Justiziars Alexander Koch.
Das Projekt
Liebe Julia, lass uns teilhaben. Um was für ein Projekt handelte es sich?
Es ging um zwei Infografiken über die Entstehung von Legionellen im Trinkwasser, die ich gestaltet habe: inhaltlicher und grafischer Aufbau, Gestalt der Inhalte, Lesereihenfolge, Auswahl der Farbkombination. Und die Illustration selbst habe ich natürlich auch gemacht.
Der Kontakt kam über Social Media zustande. Wie genau lief das ab? Und ist das für Dich und das Projekt ein eher üblicher oder unüblicher Weg?
Meine Kontaktperson hat vor zwei Jahren schon einmal Illustrationen bei mir angefragt. Damals für ihre eigene Firma, in der sie Vertriebs- und Marketing-Beratung anbot. Es ist aber keine Zusammenarbeit zustande gekommen, und es gab auch keine Begründung ihrerseits dafür. Sie hat auf meine Kontaktversuche einfach nicht mehr reagiert.
Die Infografiken, um die es jetzt geht, wurden für eine Firma erstellt, in der sie als »Managing Partner« angestellt ist. Sie wurde durch einen meiner Beiträge auf LinkedIn wieder aufmerksam auf mich, hat mich um einen Auftrag angefragt und mich schließlich beauftragt. LinkedIn ist für mich ein gängiger und gewohnter Weg, um neue Aufträge zu generieren.
Du hast Dein Werk dann geliefert bzw. bereitgestellt. Gab es ein schriftliches Angebot? Und enthielt es AGB? Eine Auftragsbestätigung hattest Du ja, soweit wir wissen.
Weil ich meiner Ansprechpartnerin gegenüber immer noch ein wenig misstrauisch war, habe ich großen Wert auf ein formelles Angebot, eine schriftliche Auftragserteilung und Freigaben gelegt. Sie war sofort begeistert von meinen ersten Gestaltungsideen und hat aus je drei Entwürfen ihre Favoriten ausgewählt, die ich anschließend ausgearbeitet habe. Darauf folgten noch zwei kleine Korrekturen. Die Kommunikation fand während der Projektarbeit ausschließlich per E-Mail statt und ich hatte mehrere Mails, die »wir sind begeistert« oder »alles perfekt« enthielten. AGB hatte ich damals noch nicht, weil ich es ewig vor mir hingeschoben und mir nie Zeit dafür genommen hatte.
Das ging schief
Deine Rechnungen wurden nicht bezahlt. Du hast dann mehrere Mahnungen geschrieben und wurdest ignoriert. Du hast recherchiert und Dich an ein Inkassounternehmen gewandt, das Mahnbescheide ausstellt. Der Kunde legte unbegründeten Einspruch ein und das Inkassounternehmen sein Mandat nieder. Jetzt standst Du alleine da.
Aufgeben wolltest du aber nicht. Warum hast Du daran geglaubt, erfolgreich zu sein?
Genau: Meine Ansprechpartnerin hat auf meine ersten drei Mahnungen nur geantwortet, dass sie den Geschäftsführer noch mal erinnern wolle. Mit ihm selbst hatte ich gar keinen Kontakt, aber habe im E-Mail-Verlauf meiner Ansprechpartnerin immer seine Zustimmung und seine Freigaben gesehen – ich wusste also, er war up to date.
Das Inkassounternehmen hat das Mandat niedergelegt mit der Begründung, es könne »durch den hohen Andrang und die damit einhergehende Arbeitsbelastung keine gerichtlichen Prozesse mehr führen.«
Das Unternehmen hat mir dann ein Schreiben gemailt, in dem die Optionen standen, die ich nun hatte. Dazu hatte ich so viele Fragen, dass ich beim Inkassounternehmen angerufen habe und eine sehr hilfsbereite und fachkundige Mitarbeiterin sprechen konnte. Die Dame hat mich gefragt, ob es Beanstandungen vom Kunden zu den Grafiken gab, was ich verneinte. Wenn die Zufriedenheit nicht so klar aus den E-Mails hervorgegangen wäre, hätte ich vor Gericht automatisch schlechte Karten gehabt. Sie hat mir auch gesagt, dass viele Freiberufler sich in ähnlichen Zivilklagen nicht von einem Rechtsanwalt vertreten lassen, sondern das selbst in die Hand nehmen. Und weil ich schon so weit gekommen war, viel Zeit und auch Geld in das Mahnverfahren und das Inkassounternehmen investiert hatte, wollte ich nicht einfach Abstand von der Prozessaufnahme nehmen. Nichts weiter zu tun, kam nicht infrage, weil ich wegen des Widerspruchs gegen den gerichtlichen Mahnbescheid das Gefühl hatte, dass der Kunde mich herausfordert und denkt, ich meine es nicht ernst. Ich war mir absolut sicher, dass ich mein Recht durchsetzen könnte, weil ich die Auftragserteilung und den Schriftverkehr vorzeigen konnte, der durchweg Zufriedenheit bewies. Außerdem wurden meine Infografiken bereits auf der Website des Kunden verwendet!
Ich habe dann noch kurz überlegt, für die Aufnahme des Prozesses einen Rechtsanwalt zu beauftragen. Aber alle drei Anwälte, die ich anrief, wollten sich den Fall und meine Fragen gar nicht anhören, sondern erst, wenn ich Ihnen das Mandat erteile und die Anwaltskosten im Voraus zahle. Damit war klar, ich mache das selbst.
Die AGD kommt ins Spiel
Wie war das dann mit der AGD? Hast Du einfach angerufen und um Rat gefragt? Hat Dich jemand auf die AGD hingewiesen?
Was konnte die AGD in Person von Alexander Koch dann für Dich tun?
Ich habe die AGD schon länger verfolgt, aber den Beitritt – wie das Arbeiten mit AGB – vor mir hergeschoben. Irgendwann, bei Gelegenheit, würde ich das mache. Weil aber nun jeden Tag neue rechtliche Fragen aufkamen, habe ich freundlich Alexander Koch per Mail gefragt, ob er mir bitte ein paar der Fragen beantworten könne. Woraufhin wir telefoniert haben und ich dann auch flott der AGD beigetreten bin.
Alexander Koch hat mir einen viel genaueren Einblick in den Ablauf und die Fristen des schriftlichen Vorverfahrens gegeben, außerdem bekam ich Feedback zu meiner Klageschrift und habe viele neue juristische Begriffe erfahren.
Er hat mir auch gesagt, dass vor Gericht alles passieren kann und der Kunde sich irgendwelche Gründe für sein nicht Zahlen einfallen lassen würde – auch wenn diese Gründe noch so konstruiert und abwegig sind, würde er sie vorbringen. Und dass ich mich genau darauf vorbereiten muss und mir überlegen, was kann er sich ausdenken. Ohne diesen Tipp wäre ich einfach weiterhin der Meinung geblieben: Natürlich bin ich im Recht. Punkt.
Das gute Ende
Wir wissen, Du hast Geld bekommen. Wie genau lief das ab?
Hast Du Lehren aus dem Ganzen gezogen?
Hast Du Tipps für andere?
Während ich schon ein paar Wochen und Monate mit der Klageschrift, meinen Recherchen und dem Antrag auf das Prozessverfahren verbracht hatte, erfuhr der Kunde erst nach dieser langen Zeit durch den Erhalt der Klageschrift davon, dass ich mit meiner Forderung vor Gericht ziehen wollte.
Erst jetzt wurde ihm klar, dass ich es wirklich ernst meine. Er kontaktierte mich telefonisch, um sich außergerichtlich zu einigen. Das war die lehrreichste Verhandlung, die ich je geführt habe. Der Kunde wollte anfangs nur einen Teil der Rechnung zahlen. Dazu hat er alle konstruierten Argumente aufgetischt, die man sich denken kann – und auf die ich gut vorbereitet war, Alexander Koch sei Dank. Ansonsten wäre ich wahrscheinlich unsicher geworden und eingeknickt. Hätte zum Beispiel überlegt, ob er vor Gericht vielleicht damit durchkommt, dass meine Ansprechpartnerin keine Befugnis zur Beauftragung hatte. Ich habe ihm gesagt, die Rechnung nur teilweise bezahlt zu bekommen, sei mir nicht genug. Er forderte mich dann auf, ich solle ihm einen Vorschlag machen – und tischte im gleichen Atemzug gleich noch ein paar Märchen auf: Eine Rechnung per Mail gelte nicht, es sei gar kein richtiger Auftrag gewesen und ähnliches mehr. Ich blieb standhaft, cool und sachlich und habe ihm gesagt, entweder die Rechnungssumme + alle mir bisher entstandenen Kosten für das gerichtliche Mahnverfahren und das zivilgerichtliche Verfahren, oder ich gehe den Weg weiter, den ich schon eingeschlagen habe und lasse gerne das Gericht entscheiden.
Daraufhin hat er vorgegeben, er müsse das erst mit den anderen Gesellschaftern besprechen. Es hat aber keine Minute gedauert, da erhielt ich per E-Mail seine Zustimmung und am nächsten Tag die gesamte geforderte Summe auf das Konto. Ich habe die Klage dann zurückgezogen.
Hast Du noch eine letzte Botschaft für uns?
Ich habe aus dem Ganzen wirklich große Lehren für mich selbst gezogen. Auch bei anderen – vor allem auch sympathischen – Kunden stehe ich jetzt immer standhaft und selbstsicher zu meinem Preis und bekomme die Zusagen. Wir müssen nicht nachgeben oder mit dem Angebot runtergehen, wir müssen nur beharrlich sein und überzeugt vom Wert unserer Arbeit!
Was ich inzwischen auch besser mache: bei Neukunden Vorkasse oder eine Anzahlung verlangen.
Webinar
Wer mehr zu dem Thema wissen will, bekommt am 13. Juli 2022 im Webinar unseres Justitiars Gelegenheit dazu.
Vor der Webinar-Sommerpause packen wir mit der Verfolgung offener Honorare ein elementares Thema an. Bei vielen Mitgliederanfragen ist schnell klar, dass die AGD-Mitglieder sich im Recht befinden, aber nicht wissen, wie sie an ihr Geld kommen sollen. Ein Rechtsstreit braucht Kenntnisse und finanzielle Mittel, was sich als Hindernis erweisen kann. Oft fehlt aber schon die grundsätzliche Haltung: Ich will mich gegen das unfaire Verhalten meiner Auftraggeber wehren!
Mit der Beantwortung folgender Fragen wollen wir einen Überblick über die gerichtliche Durchsetzung von Zahlungsansprüchen verschaffen:
- Wie funktioniert ein Rechtsstreit?
- Wie ist eine (zivilrechtliche) Klage aufgebaut?
- Was sind typische Abwehrstrategien der Kunden?
- Wer trägt die Kosten des Rechtsstreits?
- Kann ich risikofrei selbst aktiv werden?
- Kann die AGD bei der Rechteverfolgung helfen?
- Wie funktioniert eigentlich die Vollstreckung eines Zahlungsanspruchs?
Referent: Alexander Koch (AGD-Justiziar, der über 10 Jahre Erfahrungen als Prozessanwalt sammeln durfte)
Gast: Julia