Mit der Kundschaft im Netz

Untersuchungen von Designverbänden zeigen: Die meisten Gestalter haben zu wenig Stammkunden, beim weit überwiegenden Teil machen drei Kunden mehr als siebzig Prozent des Umsatzes aus. Die gleichen Umfragen zeigen auch, dass viel zu wenig akquiriert wird, vermutlich weil aktives Akquirieren den Wenigsten liegt. Das Gefühl von Unsicherheit oder sich anzubiedern, beziehungsweise die Gewissheit, oft ein »Nein« zu hören, wirken stark hemmend. Hinzu kommt die Hoffnung, dass die meisten Aufträge »von selbst« kommen, was in der Regel bedeutet, dass neue Kunden über Bekannte – also das Netzwerk – ihren Weg zu den Designern finden.

Nun denken wir beim Netzwerken eher an neue Kunden und laufen dabei Gefahr zu übersehen, dass wir mit unseren Bestandskunden bereits in Netzwerken sind. Netzwerke funktionieren dann, wenn wir nicht unbedingt dauerhaft, aber doch regelmäßig im Kontakt bleiben. Gerade wenn du von einem Kunden schon länger nichts mehr gehört hast, ist ein Auffrischen, ein Sich-in-Erinnerung-bringen sinnvoll. Zudem ist Netzwerken mit Bestandskunden viel einfacher als mit möglichen Neukunden: Designer und Kunden stehen bereits miteinander in Kontakt, haben Gemeinsames geleistet und darüber Vertrauen zueinander gefasst.

Zur Neuaufnahme von Kontakten bedarf es nicht viel, die meisten der folgenden Tipps sind altbekannt und haben sich bewährt. Dennoch ist es gut, ein bisschen Businessetikette in Erinnerung zu rufen.

Altbewährt ist nicht verkehrt

Das Einfachste ist zugleich das Selbstverständlichste: Lass dich öfter mal sehen und zwar im Wortsinne. Der Bequemlichkeit und Schnelligkeit halber bürgert es sich selbst bei größeren, und besonders bei Folgeaufträgen immer mehr ein, Entwürfe nur noch als PDF-Datei zu senden. Das ist sicherlich praktisch, andererseits geht auf dem Transportweg auch deine Gestalterpersönlichkeit verloren. Der bei der Kundin geöffneten PDF-Datei fehlen deine sämtlichen verbalen und nonverbalen Kommunikationskanäle: Keine Stimme wirkt, keine Gestik, keine Mimik, vom direkten Austausch über dein Design ganz zu schweigen. Vor allem geht bei Besuchen das Gespräch oft über den aktuellen Auftrag hinaus. So erfahren Designer aus der Gesprächslaune heraus mehr über das Unternehmen, und sie werden schneller über bereits Anstehendes informiert. Lassen sich Auftragsbesprechungen, vielleicht wegen räumlicher Distanz, nicht regelmäßig durchführen, ist es keine verkehrte Idee, wenn du deine wichtigsten Kunden etwa zum Jahresbeginn besuchst, und sei es, um bei einem kleinen Plausch Zurückliegendes Revue passieren zu lassen und sich über Anstehendes zu informieren.

Ist dein Kundenkontakt gut und dauerhaft, ist also eine Vertrautheit vorhanden, bietet es sich durchaus an, deine Auftragsbesprechung in die Mittagszeit zu legen und mit einem gemeinsamen Essen zu verbinden. Um diese Tageszeit bieten sich bei einem leichten Essen aktuelle Themen an, die innerhalb der zeitlich begrenzten Mittagspause besprochen werden können. Umfangreiches, die Erörterung von Hintergründen Erforderndes oder Grundlegendes gehören in ein zeitlich weniger gedrängtes Abendessen. Suche das Lokal aus, denke besser auch an die Vegetarier unter uns.

Eigentlich auch eine Selbstverständlichkeit aber im Rückgang befindlich, sind Feiertagsgrüße. Irgendwie wirken sie etwas altmodisch, außerdem werden unsere Festtage durch zuviel schräge Witzpostings in den Social Media mehr und mehr zum Gegenstand von Karikaturen herabgewürdigt. Dennoch kommen gut gemachte Festtagsgrüße beim Kunden gut an und werden aufmerksam wahrgenommen. Vor allem, wenn sie mit einer originellen Idee und Gestaltung aufwarten können – was für unsere Profession nun wirklich keine Hürde ist. Verschicke jedoch möglichst keine Weihnachtskarten per Mail. Abgesehen davon, dass sie schnell untergehen, fehlen wichtige Merkmale des Printdesigns: Die Haptik und Tönung des Papiers, der Spannungsbogen beim Aufblättern oder das Spiel, wenn sich dein Adressat mit der Karte beschäftigen soll.

Neben den »hohen Feiertagen« gibt es mitunter berufliche und persönliche Anlässe, die eine gute Kommunikationschance bieten. Wurde eine Kundin in der Tageszeitung erwähnt? Gratuliere ihr, gerne auch mit ein paar kommentieren Zeilen (das wiederum geht gut per E-Mail). Kennst du ihren Geburtstag? Gratuliere ebenfalls. Ich entwerfe für jedes Jahr eine Karte, die personalisiert wird und – zugegebenermaßen per E-Mail – das Haus verlässt. Hat jemand aus deinem Kundenkreis geheiratet? Stelle dich nach der Hochzeitsreise mit einem Blumenstrauß vor den Schreibtisch und freue dich mit.

Das Netzwerken im Netz

Viele Kunden sind mit uns über Social Media verknüpft und posten das ihnen Wichtige. Spricht dich ein Posting an, darfst du es auch mal liken und kommentieren. Überhaupt sind auch deine eigenen Social-Media-Beiträge hilfreich, um dich regelmäßig bei der mitlesenden Kundschaft in Erinnerung zu bringen. Deine Beiträge müssen dabei nichts mit Deinem Designbüro oder unserer Branche zu tun haben. Es ist in der Gesamttendenz hilfreich, wenn der Anteil an Nörgeleien, Besserwissereien oder gar emotionalen Ausbrüchen arg begrenzt wird. Abgesehen davon, dass du bei deinen Kunden ein verstörendes Bild über dich erzeugen wirst, ist das auch akquisitorisch verheerend: Mögliche neue Kunden werden dich vermutlich googeln und könnten dabei über deine unvorteilhaften Postings stolpern. Frage dich also vor dem Drücken der Enter-Taste öfter, wie dein Beitrag auf (potenzielle) Kundschaft wirkt.

Was sich hingegen deutlich besser steuern lässt, sind aktuelle Nachrichten aus Deinem Designbüro. Hast du eine neue Technologie im Haus oder weitere, für deine Kunden sinnvolle Fertigkeiten erworben? Lass es deine Kunden wissen. Gleiches gilt, wenn du eine besondere Auszeichnung erworben hast, deine Auszubildende die Prüfung mit Bravour bestanden hat, wenn du etwas Spannendes empfehlen willst, wenn … Kurz, wenn es etwas Interessantes gibt, teile es mit, das geht außer in einem Social-Media-Beitrag auch prima in einer individualisierten Rundmail. Es ist gar nicht so entscheidend, dass der Inhalt für alle Kunden relevant ist. Die Nachricht, dass sich bei dir etwas Positives ereignet hat oder dass du dich nach einiger Zeit meldest, ist für sich alleine gesehen gut. Du wirst überrascht sein, dass du Einiges an Feedback erhältst und vielleicht ein Auftrag folgt, der beim Kunden schon länger in der Ablage schmorte.

Einer der schönsten Momente im Geschäftsleben ist, wenn man Kunden, Kollegen oder Lieferanten über das eigene Netzwerk einen Gefallen tun konnte und daraus etwas Tolles entstand. Noch schöner ist es, wenn Andere dir einen Gefallen taten, dir z. B. einen neuen Produktionsbetrieb oder gar Kunden vermittelt haben. Auch der Dank dafür macht Freude – und zwar beiden Seiten. Bedanke dich sofort und angemessen, zum Beispiel mit einem Blumenstrauß, mit einem Gutschein eines guten Restaurants (falls du nicht gleich einen Termin zum Essengehen vereinbarst), mit einem tollen Buch oder mit Kinogutscheinen. Gut, wenn du etwas über den Geschmack oder die Hobbys deiner Kunden weißt, dann wird dein dementsprechendes Geschenk deutlich persönlicher angenommen.

Überhaupt kann die Kenntnis oder gar das Teilen von Interessen deine Kundenbindung verstärken. Falls du in einer Zeitschrift oder auf einer Website etwas liest, dass für eine deiner Kundinnen interessant sein könnte, wenn du auf eine eventuell relevante Veranstaltung stößt, teile es ihr mit. Selbst wenn deine Botschaft bereits bekannt oder nicht so relevant sein sollte, wird deine Aufmerksamkeit erfreuen und einen Dank nach sich ziehen. Merke: Gegen Dank kann man sich nicht wirklich wehren.

Näher am Kunden

Ähnlich sieht es bei den beruflichen Interessen deiner Kunden aus, besonders bei wichtigen Stammkunden. Ein Beispiel aus dem eigenen Büro: Irgendwann wurden die PR-Referenten auf der Kundenseite so zahlreich, dass ich mich für sie als Berufsgruppe zu interessieren begann, und stieß so auf einen ihrer Berufsverbände. Nach erstem Beschnuppern hielt ich dort regelmäßig Designvorträge und lernte etliche interessante Menschen kennen, nach geraumer Zeit wurden einige von ihnen zu guten Kunden oder gar Freunden. Gleiches gilt für das Branchen-Knowhow, denn Designer erwerben durch ihr Tun so viele Kenntnisse, dass ein lockerer Kontakt in die Fachnetzwerke der Kunden sinnvoll sein kann. Hast du erst den richtigen »Stallgeruch« oder gar neue Kontakte, fällt die Akquisition in einem Fachgebiet, in dem du dich gut auskennst, erheblich leichter.

Viele Fachleute treffen sich regelmäßig auf Branchentreffs, z. B. Kongressen oder Messen. Hat dein Kunde dort einen Stand, besuche ihn, komm auf einen Kaffee vorbei. Allein, die Tatsache, dass du dich dafür interessierst, macht eine Menge aus – dein Kunde wird deinen Besuch in Erinnerung behalten und honorieren. Und, wenn du schon einmal dort bist, kannst du dich gleich umschauen, welches Design dessen Mitbewerber haben oder weitere Kontakte innerhalb der Branche knüpfen.

Alle diese Dinge sind eigentlich überraschungsfrei, sie gehen im Alltagsgeschäft nur schnell verloren. Schauen wir uns zum Schluss eine nicht ganz so übliche Netzwerkidee an, deren Aufwand und Kosten begrenzt ist.

Gehen wir davon aus, dass deine Kundinnen und Kunden kulturell interessiert sind, sonst würden sie ja wohl kaum mit dir zusammenarbeiten – du befindest dich also in einem guten Umfeld. Wenn du jetzt noch in einer Stadt wohnst, in der bald eine spannende, bekannte, großartige oder witzige Ausstellung stattfinden wird, dann organisiere doch gleich zu Ausstellungsbeginn eine Führung für deine Kunden, idealerweise an einem Freitagnachmittag, gerne auch mit Partnern. Und wenn du jetzt noch im Museums- oder einem benachbarten Café das soeben gemeinsam Gesehene nachwirken lässt, deine Kunden miteinander ins Gespräch kommen und die Arbeitswoche angenehm ausklingt, ist es ideal. Abgesehen davon, dass du mit deinen Kunden ein prima Erlebnis hattest, für das man dich loben wird, kannst du sicher sein, dass dieses Erlebnis kolportiert wird.

Hast du noch andere gute Erfahrungen gemacht, die du hier teilen willst – gerne!

Autor Andreas Maxbauer, 19.02.2015