Über das schwierige Verhältnis von Gesagtem, Gemeintem, Gehörtem und Verstandenem in der Kundenkommunikation
Neulich suchte eines unserer Mitglieder in der AGD-Beratung Unterstützung in folgender Angelegenheit: Der Ratsuchende hatte das Corporate Design seines Kunden (mittelständisches Unternehmen mit rund 100 Mitarbeitern) überarbeitet, und nun bittet die Marketingleiterin um ein Roll Up mit dem neuen Logo und einem Satz darauf, verbunden mit der Frage, was das denn kosten würde. Der Designer daraufhin: »Was für ein Satz soll es denn sein? Eine Headline, eine Subheadline, ein Claim…?« Damit hatte er gewissermaßen schon verloren, weil er nicht davon ausgehen durfte, dass der Marketingleiterin die Unterschiede geläufig sind. Noch weniger durfte er annehmen, dass sie mit diesem mageren Wissen eine belastbare Entscheidung treffen würde. Am Ende war es doch nicht so wichtig, es sollte drei Stunden dauern. Dies schien die Marketingleiterin genug zu irritieren, denn ein paar Tage später erhielt der Designer eine E-Mail vom Geschäftsführer des Kunden, in der dieser in aller Ausführlichkeit darlegte, was Designer machen könnte, damit es weniger als drei Stunden dauert. Designer rieb sich verwundert die Augen und fragte sich, wieso sich der Geschäftsführer höchst selbst mit seinen drei Stunden Aufwand beschäftigte.
Uns hat das weniger verwundert, ist dies doch ein typisches Beispiel von Kundenkommunikation ohne den Blick über den eigenen Tellerrand.
Verwendung von Fachsprache und spezifischer Terminologie
Fachsprache hat einen großen Vorteil; sie bringt mit ihrer spezifizierten Terminologie Dinge klar und unmissverständlich auf den Punkt. Für die, die sie beherrschen und Teil ihrer Community sind. Alle anderen bringt sie meist ganz schnell so in die Defensive, dass sie sich erst innerlich und dann äußerlich aus der Kommunikation verabschieden, indem sie sich andere Gesprächspartner suchen oder ihre eigene Rolle an jemand anders abgeben (Marketingleiterin an Geschäftsführer).
Für unsere Kundenkommunikation heißt das, den schmalen Grat zu finden und zu wandern zwischen der notwendigen präzisen Bezeichnung, damit wir wissen, was wir tun müssen, und der Umschreibung für den Nicht-Experten, damit dieser weiß, was wir meinen.
Bezugssystem der Marketingleiterin
CD-Redesign und Roll Up sind ein bis zwei von vielleicht 20 unterschiedlichen Aufgaben unserer Marketingleiterin. Sie wird um Effizienz bemüht sein. Die Auseinandersetzung mit der Frage nach einem sprachlichen Stil ist da nicht vorgesehen, und im Zweifelsfall sieht sie das als Aufgabe des Designers an. Übernimmt er sie wider Erwarten nicht, wird sie im Zweifelsfall nach einer Lösung suchen, die für sie selbst mit dem geringstmöglichen Aufwand verbunden ist: Sie entledigt sich der Aufgabe, um sich anderen, dringenden Dingen zu widmen, und gibt ihre Irritation über drei Stunden Aufwand für etwas, was sie nicht richtig versteht, an ihren Vorgesetzten weiter. Möglicherweise tut sie das in der Hoffnung, dass er die drei Stunden durchwinken würde.
Für unsere Kommunikation mit der Auftraggeberin heißt das, dass wir ihre Worte und ihr Verhalten decodieren sollten. Marketingleiterinnen stehen latent unter Stress. Sie sollen dafür sorgen, dass die Leistungen ihres Arbeitgebers bei den avisierten Zielgruppen bekannt und berühmt sind und von ihnen zum höchstmöglichen Preis erworben werden. Sie sollen für ein gutes Image ihres Arbeitgebers bei den Kunden, den Mitarbeitern und dem Wettbewerb sorgen. Und all dies mit stetig sinkenden Budgets in einer immer komplexer werdenden Medienwelt.
Bezugssystem des Geschäftsführers
Der Geschäftsführer befindet sich mitten im Jahresendstress, außerdem steht eine Sitzung mit Vorstand und Aufsichtsrat ins Haus. Die Nerven liegen beinahe blank, und dann kommt die Marketingleiterin mit dem Roll Up, dem Satz darauf und der Frage, ob er drei Stunden Aufwand für angemessen hält. Einerseits hat er für solchen Kram überhaupt keine Zeit, andererseits ist eine wohlfeil formulierte Belehrung an den Designer die Form der Ablenkung von Vorstand und Aufsichtsrat, die er gerade richtig gut gebrauchen kann.
Was heißt das für unser Kundenbeziehungsmanagement? Wir dürfen uns manchmal über das Verhalten unserer Auftraggeber wundern, gern auch mal ärgern. Aber wir sollten dabei nicht außer acht lassen, dass unser Projekt mit ihnen immer nur eins unter mehreren ist und sie deshalb nicht nur auf die überschaubaren drei Stunden Aufwand schauen, sondern zum Beispiel auch darauf, wieviel interner Aufwand bereits entstanden ist, bevor auch nur einer an der Gestaltung des Roll Up gesessen hat. Mindestens jedoch sollten wir uns bewusst sein, dass unser Designprojekt den Auftraggeber mehr kostet als nur die Vergütung für uns.
Was können wir tun?
Wie so oft geht es um Empathie und Perspektivwechsel, manchmal auch um das zumutbare und angemessene Maß an geschäftsmäßiger Distanz zu uns selbst und dem, was wir tun. Die Leitfrage dabei lautet nicht »Was kann ich dir geben?« sondern »Was möchtest du von mir haben?« Wem das (zu) anstrengend erscheint, dem sei gesagt: »Das ist es auch.« Allerdings verfügen wir über Mittel und Wege, die Anstrengung zu reduzieren. Dabei geht es um Kundenbindung. Je genauer wir einen Auftraggeber kennen, desto besser gelingt es uns, ihn oder sie zu decodieren, desto leichter fällt es uns, die richtige Rolle in gemeinsamen Projekten zu finden. Das bedeutet am Anfang der Kundenbeziehung viel Aufwand, aber der zahlt sich am Ende um ein Vielfaches aus.