Rechteverfolgung wegen der Löschung von Foto-Metadaten

Einleitende Anmerkung der AGD:

Im Juni 2021 haben wir in diesem Wiki einen Beitrag zur Löschung von Metadaten in bei Bildagenturen erworbenen Fotografien veröffentlicht. Dabei haben wir auch auf die Vorgehensweise des Fotografen Rafael Classen in solchen Fällen hingewiesen, was einen Gerichtsprozess zur Folge hatte. 

Im Rahmen des gerichtlichen Vergleichs haben wir uns mit Herrn Classen darauf geeinigt, dass er hier im Designerwissen seinen Standpunkt vertreten darf. Die Vielfalt an Einsichten und Bewertungen ist gerade heute sehr wichtig, um sich eine eigene Meinung bilden zu können. Dazu wollen wir mit dieser Veröffentlichung beitragen. 

Heißt auch, dass wir keine Verantwortung oder Haftung übernehmen für Inhalt und Form des folgenden Beitrags, wir nehmen dazu jedoch im Anschluss an den Beitrag Stellung.


Stellungnahme von Rafael Classen:

Über mich, Rafael Classen, Fotograf und Stockanbieter seit 12 Jahren, hat die AGD einen Artikel veröffentlicht, in dem sinngemäß behauptet wird, ich würde massenhaft wegen der Entfernung von IPTC-Metadaten anwaltliche Abmahnungen aussprechen. Das ist falsch.

Ich versende Berechtigungsanfragen

Richtig ist, dass ich Verletzungen meiner Urheberrechte nachgehe. Dabei versende ich aber – anders als der Artikel suggeriert – nicht unmittelbar Abmahnungen, sondern sog. Berechtigungsanfragen. 

Abmahnungen kommen regelmäßig von einem Rechtsanwalt, sie beinhalten die Aufforderung zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung und eine Kostennote. Denn die Anwaltskosten sind von demjenigen zu tragen, der ein Urheberrecht verletzt hat.

Obwohl ich auch sofort eine kostenpflichtige Abmahnung aussprechen könnte, habe ich mich dafür entschieden, regelmäßig zunächst an die Nutzer meiner Werke heranzutreten, bei denen ich Zweifel an der Berechtigung der Nutzung habe.

Diese Berechtigungsanfragen verschicke ich selbst, es fallen keine Anwaltskosten an und ich mache ein Angebot zur Re-Lizenzierung für den Fall, dass keine Nutzungsberechtigung gegeben ist. Damit erhalte ich die mir zustehenden Vergütung und der Nutzer kann das Werk rechtmäßig lizenziert weiterverwenden.

Mit den meisten Nutzern lässt sich eine solche Vergleichsvereinbarung treffen, um den Sachverhalt unkompliziert zu erledigen. Manche Nutzer sind aber derart renitent oder sogar beleidigend, dass ich die Angelegenheiten dann an eine Anwaltskanzlei übergebe. Glücklicherweise ist dies die Ausnahme.

Metadaten sind essenziell für die Verwertung von Stockcontent

Metadaten sind Zusatzinformationen und dienen der Auffindbarkeit (etwa über Google). Sie enthalten u.a. einen Urheberrechtsvermerk zur Rechtewahrnehmung, der von Bildagenturen standardisiert als digitales Wasserzeichen implementiert wird, sowie Kontaktdaten. Damit können Interessierte Käufer zu mir Kontakt aufnehmen, um bspw. Lizenzierungen anzufragen. Eine Nutzung ohne Verweis auf den Urheber/die Bezugsquelle führt dagegen häufig bei Verwendern zu dem Eindruck, die Stockmedien seien komplett ohne jegliche Lizenzierung nutzbar. Auch wenn diese rechtliche Schlussfolgerung falsch ist, ist dies das Feedback, das ich als Urheber immer wieder von Nutzern erhalte, die Bilder, Vektorgrafiken oder 3D-Renderings ohne jegliche Lizenz verwenden.

Entfernen der Metadaten ist eine Rechtsverletzung

Die Entfernung solcher Metadaten stellt eine Urheberrechtsverletzung dar. Dies hat das LG Hamburg, Urt. v. 16.11.2018, Az. 308 O 39/17 eindeutig festgestellt. Auch Adobe scheint dies nun einzusehen, denn sie übernehmen teilweise die an mich gezahlten Nachlizenzierungsgebühren. Insbesondere Betreiber von Webseiten handeln dabei wissentlich, auch wenn sie Software für die Erstellung einer Website einsetzen. Es muss nach dem allgemeinen Empfängerhorizont davon ausgegangen werden, dass Nutzer sich bei dem Einsatz von Software (Photoshop) bzw. CMS-Systemen wie „Typo3“ oder „WordPress“ zuvor mit der Funktionalität und den Verwendungen auseinandergesetzt haben.

Ihnen muss den Umständen nach bekannt sein, dass sie die Verletzung von Urheberrechten veranlassen, ermöglichen, erleichtern oder verschleiern. Das liegt auf der Hand und ist praktisch immer gegeben. Insbesondere soll der Verletzer das Risiko einer zweifelhaften Rechtslage nicht dem Verletzten zuschieben können, wenn er sich erkennbar in einem Grenzbereich des rechtlich Zulässigen bewegt, in dem er eine von der eigenen Einschätzung abweichende Beurteilung der Zulässigkeit seines Verhaltens in Betracht ziehen muss (LG Hamburg, Az. 308 O 39/17).

Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Stockmedien beispielsweise bei einer Bildagentur (wie Fotolia/Adobe Stock oder Getty Images) gekauft wurden. Denn erworben wird die Berechtigung dort allein zur Verwendung innerhalb der Nutzungsbedingungen. Und die Nutzungsbedingungen umfassen eben nicht das Recht, die Metadaten zu entfernen.

Rafael Classen | Dezember 2021


Unsere Stellungnahme zum Beitrag

1. Herr Classen bringt vor, die AGD hätte den Eindruck erweckt, dass er massenhaft anwaltliche Abmahnungen ausgesprochen hätte. Wir finden nicht, dass die Verwendung des Plurals, die bei allen Mengen größer 1 erforderlich ist, zwingend »massenhaft« bedeutet. 

2. Weiter bringt Herr Classen vor, dass ein Entfernen von Metadaten zu einer Rechtsverletzung führt. Weil § 95c UrhG anders als die gängigen Urheberrechtsansprüche einen direkten Vorsatz voraussetzt (vgl. zB. OLG Köln, Urt. v. 20.01.2017 – 6 U 105/16), haben wir in unserem Beitrag diesen Punkt bewusst offengelassen. Weil Herr Classen mit dem Entscheid des LG Hamburg nur ein erstinstanzliches Urteil heranzieht, gehen wir davon aus, dass er hier seine persönliche Rechtsansicht äußert. 

3. Auch für den Fall, dass Herr Classen über die von ihm geltend gemachten Ansprüche verfügt, mussten wir uns zu seinem Vorgehen äußern. Ohne anwaltliche Hilfe versendete eMails mögen ein weniger einschneidendes Mittel sein. Weil er aber mit der angebotenen Nachlizenzierungsgebühr wahrscheinlich ein Vielfaches der bereits bezahlten Lizenz fordert und § 95c UrhG selbst für viele im Urheberrecht spezialisierte Rechtsanwälte eine unbekannte Norm ist, stößt sein Vorgehen bei vielen auf Unverständnis. Offensichtlich ist ihm auch nicht bewusst, dass er mit seiner Strategie Kritikern des Urheberrechts einen weiteren Vorwand an die Hand gibt, die Position der Kreativen in einer nächsten Urheberrechtsreform zu schwächen.

Alexander Koch | Dezember 2021