Warum Messen aller Digitalisierung zum Trotz immer noch nicht aus der Zeit gefallen sind
Stellt euch vor, ihr habt die Idee zu einem Produkt, für das ihr Kunden finden wollt. Zunächst ist unter Umständen neu, dass ihr – wie ich es gern in Anlehnung an unseren AGD-Kollegen Andreas Jacobs nenne – »auf eigene Gefahr« arbeitet oder euch Herzenswerken widmet. Das heißt, es gibt keine konkrete Anfrage, keinen konkreten Auftrag, den es zu erfüllen gilt. Nein, es gibt das fertige Konzept eines Produktes, für das ihr Abnehmer finden wollt.
Der Mut zur Entfaltung
Peter Dahmen – auch AGD-Kollege – erging es so oder zumindest so ähnlich. Die Geschichte ist schnell erzählt: Nachdem er über viele Jahre tat, was ein studierter Grafikdesigner normalerweise so tut, nahm er eines Tages seine Freizeitbeschäftigung – 3D Pop Ups – mit zur AGD-Regionalgruppe Dortmund. Die Reaktionen der Kollegen ließen an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig: „Das kannst du doch nicht in deiner Freizeit machen?! Damit musst du Geld verdienen!“ Die Einschätzung war so richtig wie die Frage nach dem „Wie“ berechtigt und dringend zu beantworten.
Dabei galt zu beachten, dass es sich um eine sehr spezifische Leistung handelte, die er nicht selbstverständlich seinen Bestandskunden als neues Element seines üblichen Portfolios anbieten konnte. Vielmehr musste er sich wohl neue Kundengruppen mit neuen Formen der Geschäftsbeziehung erschließen. Zwar werden Pop Ups immer auch Auftragsarbeiten sein, aber genauso sinnvoll konnte es sein, Artikel herzustellen und sie dann zum Verkauf anzubieten.
Die Messe um die Ecke
Was er tat, war folgerichtig. Wen kann Paper Art interessieren, wenn nicht Papierhersteller, die in schöner Konzentration auf der Papiermesse um die Ecke zusammengekommen waren? Zehn von ihnen schrieb er an, 3D Pop Up inklusive, mit der Frage, ob man sich auf der Messe treffen wolle, zehn haben ihn eingeladen, und zwei haben ihn vom Messestand weg beauftragt.
Warum konnte das so erfolgreich sein? Wer auf Messen geht, ist auf der Suche nach neuen Impulsen, neuen Beziehungen und Partnern und ist demnach aufgeschlossener, als es im Tagesgeschäft möglich sein kann. Pop Ups, die man in der Qualität zuvor noch nicht gesehen hat, können für Papierhersteller ein solcher Impuls sein, können sie doch Träger ihrer wichtigen Botschaften und Leistungsversprechen werden.
Geht auch anders aus dem Stand
Nun können wir nicht alle Paper Artists sein oder werden, aber wir können für uns ein bisschen was daraus ableiten:
- Es lohnt sich, die wichtigen bestehenden Kunden an ihrem Messestand zu besuchen (nicht nur um zu sagen, dass man den besser gemacht hätte:-). Dies ist ein Rahmen, in dem sie weniger abgelenkt vom Tagesgeschäft und neuen Ideen gegenüber aufgeschlossen sind.
- Der Termin sollte zuvor auf jeden Fall vereinbart werden, und wir sollten wissen, worüber wir mit den Kunden reden wollen. Idealerweise ist das Thema eher in die Zukunft gerichtet. Über vergangene Projekt reden wir in den Gesprächen zur Kundenzufriedenheit.
- Insbesondere wenn unsere Kunden aus unserer Region kommen, ist es eine Überlegung wert, sich selbst mit einem Stand auf einer Regionalmesse zu präsentieren. Für Einzelunternehmer bietet es sich an, dies in einem Gemeinschaftsstand mit anderen Kollegen zu tun.
- Ob Besuch der Kunden oder eigener Messestand: Es braucht den guten Grund für die erhöhte Aufmerksamkeit, also die Antwort auf die Frage: Warum soll sich jemand für mich und meine Leistungen interessieren? Dafür empfiehlt es sich nicht, komplexe Zusammenhänge erörtern oder erklären zu wollen. Bei aller Aufgeschlossenheit Neuem gegenüber ist die Aufmerksamkeitsspanne kurz, weil die Ablenkungsmöglichkeiten und die Ablenkbarkeit viel zu groß sind.
Fazit
Peter Dahmen ist der Szene zufolge heute einer der wichtigsten zehn Paper Artists weltweit. Das liegt nicht allein an dem Messebesuch, aber die daraus erwachsenen Kundenbeziehungen haben mit Sicherheit großen Aufschluss darüber erteilt, in welchen Kundensegmenten er Neukunden akquirieren kann, wie mögliche Geschäftsmodelle für Papierkunst aussehen können und welche Maßnahmen zum Kundenmanagement er ergreifen kann.