Wie werde ich den Kunden bloß los?

Zugegebenermaßen ist dies die Umkehrung der Frage, die mir regelmäßig in der AGD-Beratung begegnet: Mein wichtigster Kunde scheint abzuwandern. Was soll ich tun? Wie finde ich heraus, ob er wirklich gehen will, und wie kann ich das noch verhindern?

Warum ist der wichtigste Kunde der wichtigste Kunde?

Auch wenn die Beschäftigung mit der Antwort auf eben diese Frage im aktuellen Fall nicht mehr helfen mag, für die Zukunft ist sie die Basis für alle Entscheidungen und Handlungen in Bezug auf meine Kunden. Was macht den (vermeintlich) wichtigsten Kunden so bedeutend? Ist es:

  • der jährliche Umsatz, den ich mit ihm erwirtschafte?
  • die Qualität der Projekte, die wir gemeinsam machen?
  • die Person, mit der ich zu tun habe?
  • sein Geschäftsfeld, weil es großes Potenzial für die Zukunft hat?
  • seine gesamtwirtschaftliche Situation, die zu Recht auf weitere interessante Projekte hoffen lässt?
  • seine Preis- und Zahlungsbereitschaft?
  • sein Kundendeckungsbeitrag?

Wie finde ich heraus, welcher Kunde wie wichtig ist?

Will ich einen Kunden halten und binden, sollte ich wissen, warum sich das lohnt. Dafür brauche ich Informationen über den Kunden, die er mir in den meisten Fällen recht freiwillig zur Verfügung stellt … nämlich in unseren Projekten in der Vergangenheit. Daher weiß ich z. B.

  • in welchem Geschäftsfeld und welcher Branche mein Kunde arbeitet,
  • wie groß sein Unternehmen ist,
  • wie seine Pläne für die Zukunft aussehen,
  • wie es um seine Preis- und Zahlungsbereitschaft bestellt ist,
  • mit welchen Personen ich es zu tun habe,
  • welche Rolle Design in seinen Prozessen und Geschäften spielt.

Daraus kann ich ableiten, welche Bedeutung der Kunde für mich künftig wahrscheinlich haben wird, und mein Handeln darauf ausrichten.

Warum ist das so wichtig?

Zum Beispiel, um rechtzeitig die Signale und Zeichen zu erkennen, wenn der Lieblingskunde droht abzuwandern, und entsprechende vorbeugende Maßnahmen zu ergreifen (die es im nächsten Blogbeitrag geben wird). Darüber hinaus gedacht, bilden diese Informationen die Basis für mein Kundenbeziehungsmanagement (Customer Relationship Management, CRM). Das heißt zunächst nicht viel mehr, als die verfügbaren Informationen dahingehend auszuwerten, wie bedeutend ein jeder einzelne Kunde für mich und mein Designgeschäft ist. Und dabei geht es nicht nur um die Frage, wieviel Umsatz ich mit ihm gemacht habe oder mache. Es darf auch um solche qualitativen Kriterien gehen wie Inhalt, Anspruch und Komplexität der gemeinsamen Designprojekte.

Was mache ich mit den gewonnenen Erkenntnissen über meine Kunden?

Don Peppers, der Pate des modernen CRM, sagt: „CRM is about treating different customers differently!“ Damit ist praktisch alles gesagt. Es geht darum, bewusst und belastbar zu entscheiden, wie viele Ressourcen und Kapazitäten ich in welchen Kunden investiere. Und für jeden Kunden (Sind es mehrere, lohnt es sich, sie in möglichst homogene Kundengruppen zusammenzufassen.) lege ich ein geeignetes Set an Maßnahmen zur Bindung und Weiterentwicklung fest. Ich segmentiere sie in z. B.

Fans, Heavy-User, Angefressene, ehemals Treue und Empörte

So kann die unterhaltsame Variante meiner Kundensegmente aussehen. Wer es nüchterner mag, arbeitet mit den Buchstaben A bis E.

Und damit kann ich die Abwanderung meines wichtigsten Kunden verhindern?

Nicht unbedingt, aber es hilft herauszufinden, ob er überhaupt der wichtigste Kunde ist und warum. Zumindest für künftige ähnliche Szenarien ist dann besser vorgesorgt, und zwar in jedem Fall. Manchmal ist eine Kundenbeziehung einfach „am Ende“. Kenne ich meinen Kunden gut, weiß ich das im Idealfall, bevor er sich anderweitig umschaut, und werde rechtzeitig aktiv. Denkt er aus anderen Gründen über einen Spurwechsel nach (Und das ist es, was er tut in der Annahme, auf der zu mir parallel verlaufenden Spur schneller und besser sein Ziel erreichen zu können), dann hilft wahrscheinlich nur noch reden.  Reden über seine Beweggründe. Bestenfalls kann ich ihn zurückgewinnen, anderenfalls lerne ich für die Zukunft daraus.

Wie geht es in Zukunft besser?

Es geht immer um die Beantwortung der drei Fragen:

  1. Wie erkenne ich, ob die Aufmerksamkeit meines Kunden insoweit nachgelassen hat, dass er sich ernsthaft mit anderen Anbietern auseinandersetzt?
  2. Lohnt es sich, etwas dagegen zu unternehmen?
  3. Wenn ja, was kann ich tun, damit er das sein lässt?

Während die Fragen 1 und 2 Wissen brauchen, verlangt Frage 3 unser Handeln und unsere Kreativität. Demnach besteht viel Grund zu viel Hoffnung, und ein bisschen was zur Unterstützung gibt es in den nächsten Blogbeiträgen.

Und wie war das jetzt mit der Eingangsfrage?

Beschäftigt ihr euch auf diese Weise mit euren Kunden, werdet ihr in dem einen oder anderen Fall immer mal wieder an den Punkt kommen zu sagen:

Nein, der lohnt sich nicht. Er kostet mehr als er bringt … in jederlei Hinsicht.

Dann dürft ihr so frei sein, ihn mit einer Kollegin oder einem Kollegen in Kontakt zu bringen, bei der oder dem er wahrscheinlich besser aufgehoben ist. Ist auch gut für das Netzwerk, vielleicht passiert euch Ähnliches umgekehrt dann auch einmal.